Gerard
Terbnrrh.
Don den holländischen Sittenmalern der
,Bliitezeit, die ihre große Kunst gern
auf kleinen Bildern zeigten, hat keiner in
Deutschland eine so frühzeitige Popularität
erlangt wie Gerard Terborch, den man frii:
her in deutscher Umformung seines Namens
anO Terbnrg nannte, nnd keiner hat sich
vor dem verfeinerten Knnstgeschmack unserer
Tage, der seine höchste Befriedigung i1n
Genusse malerischer Reize sucht, mit glei:
then Ehren behauptet wie er. In neuester
Zeit, als der Sa1nmeleifer begann, als die
großen, durch jahrhundertelangen Erwerb
erwachsenen Privatgalerien ins Schwanken
gerieten und ihre SchäHe auf den Kunst:
markt bringen mußten, hat Terborch sogar
zu dem Ruhme eines großen Genremalers
noch den eines ebenso großen Porträtmalers
gewonnen, den man bis dahin nur aus
den Berichten seiner Zeitgenossen gekannt
hatte.
Einem feiner Meisterwerke hat kein
Geringerer als Goethe ein kleines litte:
rarifches Denkmal gesetzt, indem er einer
novelIistisch zugespiHten Darstellung nach
seiner Art eine Deutung zu geben versuchte.
handelt sich um das unter dem Namen
,,die väterliche Ermahnung, bekannte Bild,
das Goethe nicht im Original, sondern durch
einen Stich von J. G. Wille, vielleicht schon
im Hause seines Vaters kennen und lieben
gelernt hatte. Schon Wille hatte seinen
Stich nach dem von ihm benut;,ten Gemälde,
das sich 1765, zur Zeit, wo es Wille repro:
dnzierte, im Besik3e eines Herrn Peters,
,,Malers des Herzogs Karl von Lothringen,
Statthalters der Niederlande,tt befand, die
geben, und Goethe spricht danach im zwei:
ten Teile der ,,Wahlverwandtschasten,E wo
von den lebenden Bildern die Rede ist, die
Lueianen zu Gefallen arrangiert werden,
Von der ,,s0gena11nten väterlichen Ermah:
nnngU Terborchs. ,,Wer kennt nicht den
herrlichen Kupferstich unseres Wille von
diesem Gemiilde9 Einen Fuß über den an:
deren geschlagen, sitzt ein edler ritterlicher
Vater nnd scheint seiner vor ihm stehenden
Tochter ins Gewissen zu reden. Diese, eine
herrliche Gestalt, in faltenreichem, weißem
Atlaskleide, wird zwar nur von hinten gese:
hen, aber ihr ganzes Wesen scheint anzudeu:
ten, daß sie sich zusa1nmennimmt. Daß je:
doc; die Ermahnung nicht heftig und be:
schämend sei, sieht man aus der Miene nnd
Gebärde des Vaters,und was die Mutter be:
trifft, so scheint diese eine kleine Verlegenheit
zu verbergen, indem sie in ein Glas Wein
blickt, das sie eben anszuschlürfen im Be:
griff ist.U Wenn wir später diese ,,väter:
liche ErmahnungU im Zusammenhang mit
den gleichartigen Sittenbildern des Künstlers
betrachten werden, werden wir sehen, wie
weit uns er großer Dichter mit seiner geistvollen
Erklärung am Ziele vorbeigeschossen hat.
Immerhin ist seine Erwähnung des
Vildes ein Zeichen für die HoOschätg,ung,
die man n1n die Wende des XVIII. Jahr:
hnnderts, also in der Zeit des aufstreben:
den Klassizis1nns, den vornehmen Schöp:
fangen des Niederländers entgegenbrachte,
und seine künstlerische Persönlichkeit ist denn
auch über allen Wandlungen des Kunstge:
schmacks lebendig geblieben bis in unsere
Zeit, der ein glücklicher Zufall auch einen
Einblick in sein Werden und Wachfen, in
die erste Zeit seines Lebens und Schaffens
unter der Obhut eines zärtlichen Vaters
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