B1enjamin 1Baukier.
e deutsche Genremalerei des neunzehn- Herzen nur langsam auf gütiges Zureden
ten Jahrhunderts hat den Höhepunkt öffnen, und in dieser gar köstlichen Fähig-
ihrer Entwicklung in drei Meister-n erreicht, keit liegt das Moment, das ihn von Knaus
die man stets zusammen nennt, die aber nach und Desregger als gleichbedeutende, künst-
ihrer Herkunft wie nach ihrem innersten lerische Persönlichkeit unterscheidet.
Wesen von einander grundverschieden sind. Benjamin Vautier ist am 24.April 1829
Ludwig Knaus, der aus Wiesbaden gebiir- in Morges am Genfer See als Sohn eines
tige Rheinländer, hat troH seiner ersten Er- Pfarramtskandidaten geboren worden, der
folge, die tief im deutschen Volkstu1n, im dort bis zu seiner Berufung auf eine
Leben der deutschen Bauern wurz"elten, durch PfarrerstelIe ein Lehramt verwaltete. ,,Dort
seinen Aufenthalt in Paris Eindrücke em- in der herrlichsten Natur, unterm Schatten
pfangen, die ihn allmählich über sein erstes der Kastanien 1md Nußbäume, in einem
Gebiet hinaus zu einer Universalität trieben, schon fast südlich milden Klima verlebte er
die sich weit über die Grenzen seines Vater- seine Kindheit in einer Atmosphäre von
landes hohes Ansehen und Geltung ver- Liebe und Wärme, die sich alsbald auch
schafft hat. Der zweite, der nur wenige seinem lebhaften und heiterer: Wesen als
Jahre nach ihm kam, Benjamin Vautier, Grundton aufprc"igten." Der Vater war,
ist in der französischen Schweiz geboren, wie ihn Friedrich -Pecht nach den Mit-
aber trotz, seiner Abstammung und Erziehung teilungen seines Sohnes schildert, ein from-
ein deutsch-nationaler Künstler, an dem ein mer, ftrenggläubiger, aber doch überaus
Aufenthalt in Paris spurlos voriibergegangen milder und menschenfreundlicher Mann, und
ist. Dasselbe geschah an dem dritten unserer die Mutter scheint ebenfalls sehr sanft und
großen Genremaler, an Desregger, dem das gütig, aber auch reich an Phantasie gewesen
französische Wesen nichts anthat, obwohl er zu sein. Jhr Bruder vertrat in der Familie
bei seinem ersten Besuche in Paris noch das künstlerische Element, indem er in seinen
keineswegs etwas als Künstler bedeutete. Mußestunden ,,mit Talent und Leidenschaft
So sind denn auch Vautier und Desregger, zeichnete und malte." Wer also etwas von
freilich jeder nach seinem Temperament, die der Vererbungstheorie auch im guten Sinne
urwüchsigsten unserer Genremaler geblieben: hält, kann annehmen, daß der junge Ben-
der französische Pastorssohn immer hübsch jamin vom Vater die äußere Strenge der
manierlich, zart und sittsam, der tirolische Form in Verbindung mit innerlich mildem
Bauers-sohn bisweilen trutg,ig, wild aufbe- Wesen, von der Mutter die Empfänglichkeit
gehrend, dann aber auch wieder sanft und für künstlerische Eindrücke und vom Oheim
gemütvoll. Während aber bei Desregger dieFähigkeit, solche zeichnerisch undmalerisch
entweder alles auf einen grimmen oder festzuhalten, geerbt habe. In seiner ersten
scharflustigen oder idyllis(hen Ton gestimmt Jugend bestand seine künstlerische Nahrung
ist, ohne daß die Charaktere tiefer ergründet freilich nur in der französischen illustrierten
werden, die feinsten seelischen Regungen Zeitschrift mondei11ustre", einem wohl-
gleichsam aus den Angesichtern heraus- feilen .Blatte, das überall, wo französisch ge-
springen, ist Vautier der zartfiihlende Seelen- sprorhen wurde, weit verbreitet war und noch
fDrscher und Seelenkünder, dem sich die ist. Bei dem billigen Preise waren die
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