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Wie Fülle künstlerischer Erscheinungen, die
E Mannigfaltigkeit kiiustrekisck;ek Ruh.
tungen, welche während des fünfzehnten
Jahrhunderts in Italien zu Tage treten,
erfüllt den Forscher, dessen Blick alle Einzel;
heiten in dem Gesamtbilde dieser Kunsti
epoche aussucht, mit dem größten Erstaunen.
Gewaltsam und unwiderstehlich scheint eine
lange zurückgehaltene Schaffens; und Ge:
staltungskraft sich aus dem Innern nach
außen Bahn zu brechen in gleicher Weise
in Tausenden von Jndividuen vorwärts
drängend, als gälte es, mit Meißel und
Pinsel sich der Welt zu bemächtigen. Die
Außendinge, die sich in nie endendem
Wechsel dem Auge aufdrängen, werden als
Bilder gefangen und von einem die Eins
bildungskraft beseelenden lebhaften Gefühl
zu neuen Naturgebilden menschlicher Schöps
sung umgestaltet. Wer freilich dieses an
Künstlerthaten reiche Jahrhundert aus ihm
allein zu erklären versuchte, würde es
nie verstehen können. Nur in den voraus
gehenden Zeiten entdeckt man die treibenden
Kräfte, welche den Genius des italienischen
Volkes zur Schaffenslust tveckten: in jener
Epoche einer großen focialen und religiösen
Bewegung, welche den eigentlich schöpferis
schen Teil der Menschheit, die unteren
Schichten deszVolkes, befreite und mit der
gesellschaftlichen Neugestaltung zugleich ein
neues, schlicht volkstü1nliches, innerliches
Christentum zur Herrschaft brachte. In
diesen Zeiten erhielt die Phantasie und das
Gefühl die Richtung auf das Ideal, wels
ches das Ziel der Renaissaucekunst werden
sollte. Noch vermochte trotz aller jugeuds
lichen Begeisterung und dramatischen Auss
druckskraft die das vierzehnte Jahrhundert
aussüllende Kunst Giottos nicht über das
Typische der Formenbildung hinauszukoms
men, aber sie schuf und entwickelte alle
Grundmotive des Stiles und der Dars
stellung. Um 1400 wendet man sich der
Aufgabe zu, das Formale und die künst:
lerischen Mittel auszubilden. Das alls
gemein Andeutende muß dem besonderen
Verwirklichenden weichen: durch eingehendes,
das Größte wie das Kleinste umsassendes
Studium der Natur werden der Phantasie
in heilsa1nster Weise Schranken geseHt. Nun
galt es, die Erscheinung des Menschen
nach seiner organischen Bedingtheit in den
Proportionen, der Bewegung und dem Ausi
drucksvermögen zu erfassen, es handelte sich
darum, das allgemein GeseHmäßige durch
das genaue Studium des Jndividuellen
kennen zu lernen, durch Erforschung der
Gesetze des Sehens, der Linears und Luft;
perspektive das Verhältnis der Figuren im
Raume zu bestimmen, und, dem Reichs
tum des Schauens zu genügen, mußte eine
Meisterschaft in dem Technischen errungen
werden, welche die freie und zwanglose
Wiedergabe des Erschauten ermöglichte.
Mit diesen Aufgaben sehen wir in der
verschiedenartigsten Weise die Bildhauer
nnd Maler des Quattrocento unermüdlich
beschäftigt. In den Werkstätten kommt
dem Schüler zu gute, was der Meister ges
funden Einer lernt vom Anderen in einem,
fast möchte man sagen, instinktiven Gefühl
davon, daß es sich nicht um die Originalität
des Einzelnen, sondern um ein gemeinsam zu
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