Volltext: H. von Zügel

 Heinrich Von Zugel.  
F'  s ist mit der Kunstgeschichte ebenso wie mit der menschlichen Evolution 
, J,  im großen, als welche wir die Weltgeschichte ansehn. Nur die Persönlich- 
' F)  - keiten sind die treibenden Faktoren der Entwicklung. So ungeheuer auch 
L.  "-H die Zeitspanne, nac) Jahren gemessen, erscheint, in der sich die Kunst 
der Kulturvölker vor unseren rückwärts gerichteten Augen abspielt, überall er- 
halten die Epochen dieser jahrhundertelangen Kreislaufbewegung ihr eigentliches 
Relief nur durch die prominenten Physiognomien derer, die das Gesicht ihrer Zeit 
bestimmt haben. Der künstlerische Drang existiert im Menschen von Urbeginn. 
Wir erleben ihn heutigentags in ähnlicher Weise bei den Raturvölkern Afrikas, 
wie er uns etwa in den ältesten Hinterlassenschaften babylonisch-assyrischer Kunst 
erhalten ist. Was sich ändert und was zugleich die Steigerung der eigentlichen 
Werte im Rahmen der allgemeinen Entwicklung ausmacht, das ist die Form, 
in der sich das künstlerische Wollen der Zeiten durch ihre berufenen Vorkämpfer 
ausspricht. 
Nichts ist in der Welt so neu, daß es nicht schon einmal, wenigstens an- 
deutungsweise, dagewesen wäre. Diese banale Weisheit, die uns jeden Tag aufs 
neue zur Resignation gegenüber den neuen Erscheinungen der Zeit zwingt, ist die 
letzte und einzig faßbare Erkenntnis des Historikers, der gewohnt ist, über die 
lapidare Tatsachen-Geschichte hinaus, auch den inneren Notwendigkeiten, dem 
Charakter einer Zeit in all ihren Detailäußerungen nachzugehen. Das legte große 
Ziel aller Kunst bleibt doch nur der Triumph geistig intuitiven Künstlerdranges 
über die Natur und das Leben. Und diesem einen Ziel ist in der Tat die Kunst 
von Urbeginn an nachgegangen. Gewiß läßt sich dies Wollen auch mit andern 
Worten umschreiben. Gewiß hat es Zeiten gegeben, wo der Triumph über Natur 
und Leben gegenüber andern Aufgaben mehr zurücgetreten ist, wo beispielsweise 
die Malerei, wie in den ersten Jahrhunderten christlicher Kultübung, Dienerin
	        
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