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Trotzdem aber muß es uns seltsam berühren, daß gerade die italienische
Kunst nach den früheren Zeiten das Tier als solches kaum noch gekannt hat, nicht
einmal im Zusammenhang mit der eigentlichen Genremalerei, die auch schon da-
mals existierte, man denke an den Pisaner Camposanto und an Carpaccio oder
Benozzo Gozzoli! Dem Jtaliener ist von Haus aus jener für den Deutschen von
jeher so charakteristische Zug fremd gewesen, der sich eben in der Liebe zur Tier-
welt kundgibt und trotz der geringen Ausnahmen, die es gegeben hat der noch
viel zu wenig gekannte Veroneser Maler Girolamo dai Libri, aus Limone am
Gardasee gebürtig, ist z. B. eine solche hat auch die moderne italienische Kunst
noch keinen volIwertigen Vertreter der Tiermalerei, wenn man etwa Segantini
ausnimmt, der als großer Offenbarer das Tier im engen Konnex mit der Natur
und als Jnterpret prachtvoller Stimmungen gern und oft behandelt hat.
Der große Umschwung auf unserem Gebiete erfolgte wenigstens vorbereitend
durch die d eutsch e Kunst. Er ging Hand in Hand mit einer dichterisch-poetischen
Vertiefung der damaligen Volksseele. Wie reizende Märchen aus Kindheitstagen
muten die Werke der deutschen Primitiven, ungeachtet aller Herbheit in der Be-
handlung oft grauslicher Sujets an. Das Herzig-Naive dieser DarstelIungen ist
der beste Beweis für die eingeborene Dichtergabe, die der deutschen Kunst allzeit
innegewohnt hat. Ein so entztickendes Jdyll wie es ein mittelrheinischer Meister
um das Jahr 1420 in seinem ,,Paradiesgarten" schuf, wo rings um die reine
Madonna sich ein lauterer Friihlingsgarten ausbreitet mit zwitschernden, bunt-
gefiederten Vögeln auf den Ästen und in den Kronen der Bäume, ist undenkbar
im Rahmen der gleichzeitigen italienischen Malerei. Oder man denke an Bilder