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den das Tier schlechthin für den Menschen haben konnte. Ägypten war ein
agrarischer Staat und den Beziehungen seiner Bürger zum lebenspendenden Heimat-
boden, zur ländlichen ScholIe entnahm auch der Kult seine besonderen Formen.
Jn Hellas dagegen ist alles auf eine rein bürgerliche Kultur gestimmt, die in
den großen städtischen Gemeinwesen ihren Niederschlag erlebt und bald über die
engen Banngrenzen des engen Bezirkes hinaus, draußen an den Küsten ferner
Länder ihre Kolonisationsaufgaben sucht. Derartige Momente im Großen des
völkischen Lebens sind vielsagender zum Verständnis der künstlerischen Eigennote
einer Nation als es vielleicht von ungefähr erscheinen mag. Freilich gibt es
auch für die hellenische Kunst eine Einschränkung, die vielleicht im Zusammenhang
mit unserm Thema zu Recht bestehen mag, weil wir sie schlechterdings nicht mehr
kontrollieren können. Von der Malerei ist uns so gut wie nichts erhalten und
inwieweit etwa auf diesem Gebiete die Tierwelt eine Rolle gespielt, läßt sich
nicht feststellen. Groß kann sie aber nicht gewesen sein, denn der beste Ersatz,
die griecl)ische Vasenkunst, die an Bewegtheit und Rhythmus doch so außerordentlich
reich ist, hat ebenso wie die Dichtkunst der Alten das Tier aus ihrem Behandlungs-
kreis völlig ausgeschaltet. Göttermythos und Mensch beherrschen so vollständig
das gesamte Gestaltungsgebiet der darstelIenden Künste, daß wollte man einen
kühnen heterogenen Rückschluß wagen man zu der Überzeugung kommen müsse,
Griechenland hätte außer Opferstieren und Rossen und den wenigen symbolischen
Attributen seiner Götter die Tierwelt überhaupt kaum gekannt. Was uns etwa
aus der Homerischen Sagenwelt überliefert ist, die vielfach in den ländlichen
Urzustand eines Hirtenvolkes zurückversetzt, beweist nichts vom Gegenteil, weil sie
keine Schlüsse auf den wahren Geist helIenischer Kultur in der Bliitezeit der Kunst
zuläßt. Nirgends aber treten die Gegensätze in den verschiedenen Anschauungen
zweier Völkergemeinschaften klarer zutage als bei einem Vergleich Altägyptens
und Griechenlands, wie er hier im Hinblick auf die Bedeutung des Tieres
für Kult und Kunst angedeutet wurde.