12El
Natur begegnet ist. Die Künstler wurden unsere besten Lehrmeister für das richtige
Genießen und die künstlerische Bewertung aller Stimmungen und tonigen Fein-
heiten, die dem AlItagsmenschen schlechthin nicht zum Bewußtsein kommen.
Der Stofskreis der Kunst aber konnte sich gleichzeitig an unserem wieder
wachgewordenen Raturgefiihl verdoppeln und verdreifachen. An die Stelle einer
öden Kulissenkunst trat die Landschaftsmalerei unserer Modernen, an Stelle jener
billigen NovelIistik, wie sie unsere Väter noch geliebt, das starke Temperament
der Schaffenden, die sich und ihr Wollen im Leben und der Natur wiedergefunden.
Ja, wir sind heute so weit, daß wir zum guten Teil sogar den Wert eines Kunst-
werkes nach Maßgabe unseres Naturgefühls abschätzen und speziell in der Malerei
diejenigen Schöpfungen am meisten lieben, in denen am unmittelbarsten die Natur
zur Geltung kommt.
Ein Meister wie Zügel aber ist uns wie wir sehen werden auf dem
Wege dieser neuen künstlerischen Erkenntnis ein wertvoller Führer gewesen. Er
war vielleicht der erste und markanteste Typ dieser neugearteten Zeit. Sein Oeuvre
begleitet, in Einzelheiten aufgelöst, rhythmisch die Evolution im Großen. Ihm und
seinesgleichen danken wir es zumeist, wenn in uns Menschen des zwanzigsten
Jahrhunderts der Sinn für alle natürliche Schönheit so stark wieder auflebte.
Sein Beispiel mußte nicht nur befruchtend auf die Schaffenden wirken, sondern
ebenso Erkenntnis weckend auf die Genießenden.
Was aber die moderne Kunst im besonderen anlangt, so kann man sagen,
daß sie in einer verhältnismäßig kurzen Zeitspanne noch einmal den ganzen Kreis
der Entwicklung hat durcheilen müssen, für den, die Kunstgeschichte bereits die
Merksteine am Wege dargeboten hatte. Heute wissen wir es alle, wie sehr gerade
die historische Unfreiheit, d. h. jenes selbstverständliche Schwächegefiihl, das die
Künstler des neunzehnten Jahrhunderts im Anblick der Höhenleistungen früherer
Zeiten iiberkam, die natürliche Vorwärtsbewegung gehemmt hat. Eben jenes
Jahrhundert, das wir fast genau mit der letzten Säkulumswende auch künstlerisch
überwunden haben, bedeutet ein fortgesetztes Pendeln zwischen dem imponierenden
Erbe früherer Epochen und dem alIzuschwachen Willen, zur Selbständigkeit durch-