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daß der Bauernbub Zügel einst auf seiner heimatlichen Scholle die Schafe gehütet
hat, denn ohne die in Freiheit und meist mitten in der Natur verbrachte Jugend
besäße er sicher nicht mehr die jugendliche Frische, in der uns der Sechziger
heute erscheint. Daß er dem Vater (um des Künstlers eigene Worte zu gebrauchen)
,,so oft den Schäferhund ersetzen mußte-', war vom Schicksal sehr gut gemeint,
denn ohne diese erste Jugend in Murrhardt wäre auch der Künstler Zügel kaum
zu dem geworden, was er heute der modernen Kunst und nach einem weiteren
Jahrhundert der Kunstgeschichte bedeutet.
Überschaut man zum Schlusse aber noch einmal dies reiche, von Erfolgen
seltenster Art gekrönte Lebenswerk, so bekommt man eine wahre Hochachtung vor
der prachtvollen Konsequenz, mit der sich dies Künstlerleben vollzog. Gewiß sind
in unser aller Leben, bei diesem mehr, beim andern weniger, die Jugendeindrücke
für die spätere Entwicklung bestimmend gewesen und manches in unserem Tun
erklärt sich vielleicht ebenso wie bei Zügel einzig und allein als der Ausfluß
dessen, was uns in den aufnahmefähigen Jahren der Kindheit begegnet ist. Aber
wir andern sind uns doch selten so treu geblieben. Keiner von uns hat auch wie
er ein ähnliches Glück gehabt, so harmonisch mit sich selbst unberührt von allen
Störungen und Schwankungen des Geschickes mitten in der freien GotteSnatur
heranzuwachsen und ihr allein in einem langen Leben treu zu bleiben. Denn
Zügels Leben ist seine Kunst und diese ist im höchsten philosophischen Sinne
gesehen ein Gebet an die Schöpfung, wie es reiner nirgends erklungen ist. Was
wollen dieser Kunst gegenüber alle Daten besagen, die hier absichtlich nur nebenbei
gestreift wurden, weil sie in der Tat gegenüber den Früchten dieses Menschenlebens
absolut belanglos sind?
Soll man der Vollständigkeit halber noch erwähnen, daß auch der Mensch
voller Harmonie ist? Daß er auch in seinem Familienleben einen Protot1)p sorg-
samen Vaters darstellt, daß er zeitlebens all sein Glück, soweit es ihm die Kunst
nicht voll erschloß, im Kreise der Seinen, bei Gattin, Töchtern und dem Sohne
Willy fand, der als einer der begabtesten Bildhauer des jungen Deutschland in