Volltext: H. von Zügel

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einer latenten Zeitidee gewesen ist, die ihre eigentlichen Aufgaben unter der reli- 
giösen Sehnsucht einer eben erst auf den Trümmern der antiken Welt neu erwachten 
Kultur in den Hintergrund drängte. Wo aber die Zeit sich nach ihren eigenen 
Dasein5geset-,en frei hat ausleben können, wo die Kunst als höchste Aufgabe ihrer 
Vollendung allein die Natur und das reale Leben hat erkennen dürfen, da hat 
sie auch sogleich das Endziel ihrer hohen Berufung mit scharfem Auge erkannt 
und ist ihm in ewiger Aufeinanderfolge von Jahrhundert zu Jahrhundert nachgeeilt. 
Über dieses Endziel, dem jede künstlerische Entfaltung mit Bewußtsein zustrebt, 
ist in der Literatur der Gegenwart und Vergangenheit unendlich viel geschrieben 
worden. Mag man die Dinge vom philosophifchen oder rein naturwissenschaft- 
lichen Standpunkte aus betrachten, so wird man stets in der kiinstlerischen 
Betätigung ein charakteristisches Merkmal für die höheren Aufgaben der mensch- 
lichen Rasse gegenüber der Tierwelt erblicken können. Ein geheimnisvoller Trieb 
führte den Menschen zuerst zur Kunst hin, jenem ähnlich wie wir ihn auch heute 
noch bei dem Bildner bemerken und wie er im Urzustand der Menschheit die 
Geburtsstunde der Kunst eingeläutet hat. Mag es in erster Linie das schlum- 
mernde Bewußtsein eines großen Gemeinsamen, das Mensch und Natur mit- 
einander verbindet, oder das Verlangen der Menschen gewesen sein, sich dem 
unbekannten Schöpfer auf irgendeine Art zu nähern, was die Kunst erstehen ließ, 
sicher haben die eigene Erscheinung wie die optischen Eindrücke zunächst das 
Meiste dazu beigetrag."n, den angeborenen Jnstinkt nach künstlerischer Ausdrucksform 
zu fördern. 
Es hat Jahrhunderte gegeben, wo diesLiEbe zur Natur die Kunst der Völker 
in ihrer Gesamtheit ausschließlich bestimmt hat. Es gab auch andere Zeitläufe  
und es sei dabei vor allem an die frühen Jahrhunderte der christlichen Kult-
	        
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