England.
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begonnen 1655, vollendet 1665J. Die königliche Zensur wußte das Er:
scheinen des Gedichts lange zu verhindern, so daß erst 1667 die erste Aufs
lage erschien, für welche der Verleger dem Dichter 5 Pfd. Sterl. Honorar
bezahlte. Das damals herrschende Literatenthum ignorirte das großartige
Werk möglichst, allein dessenungeachtet war schon zu Anfang des 18. Jahr:
hunderts der Rang des klassischen Epikers seiner Nation dem Dichter ent:
schieden gesichert. Das verlorene Paradies ist eine Art von göttlicher
Komödie, aber eine protestantische. Es geht hier aller Uebersinnlichkeit des
Stoffes ungeachtet weit menschlicher zu als in Dante7s Gedicht. Miltons
Personen sind uns näher gerückt und erwecken eine lebendige Theilnahme,
weil der Dichter sein Material zu einer wirklichen d. h. dichterisch wirklichen
Geschichte zu gestalten, den Spiritualismus der protestantischen Christlichkeit
ZU einer organisch gegliederten Mythologie zu verdichten wußte. Ein voll:
kommenes episches Kunstwerk ist aber das verlorene Paradies keineswegs.
Die klassische Reminiscenz wie die Theologie wirkten gleich störend auf das
Gedicht; jene brachte ängstliche Nachahmung. antiker Muster in die Form,
diese dogmatische Grübelei in den Inhalt. Jn beiderlei Beziehung vermochte
Milton die Schranken nicht zu überspringen, welche sein Zeitalter seinem
Geiste feste. Aber der Odem mannhaften Republikanismus durchhaucht
das Ganze und desshalb hat auch Milton aus seinem Satan, aus dem
kühnen Rebellen gegen den himmlischen Absolutismus, eine so grandiose
Gestalt zu machen gewußt, die ohne Frage nicht nur der Mittelpunkt des
ganzen Werkes ist, sondern auch für.die ganze moderne Poesie von be.
deutendster Wirkung wurde. Einzelnheiten des Gedichts sind vom höchsten
Poetischen Werthe. Wie erhaben düster ist die Schilderung der Hölle und
Ihrer Fürsten, von welcher cigenthiim1ichen Kühnheit der Fing Satans
dUVth den ungeheuren Abgrund des Chaos, ,,den Mutterleib der Natur
Und vielleicht ihr GrabU, wie rührend der Hy1nnus des blinden Dichters
M das Licht CGes. 3J, wie anmuthstralend und edelkeusch die Erscheinung
Evas, wie lieblich die Beschreibung des Paradieses und der Liebe des
ersten Menschenpaares, wie prachtvoll das Gemälde der Erscheinung des
Gottessohnes in den Schlachtreihen der himmlischen Heerscharenl Milton
hat später noch ein wiedergewonnenes Paradies CpThe Paradise regainedcc,
4 V.J gedichtet, welches die Versuchung Christi in der Wüste zum Thema
hat. Es ist dies aber, wie auch das in griechischer Form geschriebene Trauer:
sPiel :psamson Agonistese, ein kaltes, altersschwaches Produkt, seelenloser
ThCvlogismus. Der Dichter starb am 10. November 1.674.
Vertritt Milton mit seinem biblischen Epos die erhabene und tragische
VIII Rosenzweig 1832, von Kottenkamp
VIII Eimer 1867.
S OTTO, Alls. Gefch. d. Literatur. It. 8.
1841,
Aufl.
von Böttger
1846,
1856,
Schumann
4
Von