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Erste Abtheilung. Zur GeschichtS-Literatur.
der üppigen Lebensluft, ist ein ganzer Philister geworden; das Freie,
Geniale ist von ihm gewichen, und durch seine trippelnde Weisheit
wird er nichts großes hinstellen." Auch dem wüsten Muthwillen des
Berliner Garnisonslebens entwuchs Nosti1z völlig, so sehr er selber in
diesem Treiben Virtuose gewesen war. Unter den Zügen des Ueber-
muths und der Ausgelassenheit, worin das preußische Lieutenantsthum
vor 1806 excelIirte, heben wir einen hervor den Nostitz mittheilt, nicht
ohne die naive Verwunderung auszusprechen daß man dergleichen
damals ärgerlich und strafbar fand. Man wollte einmal einen Aufzug
zu Pferd veranstalten; ein Officier schlug vor das damals häufig anf-
geführte Werner7sche Stück die ,,Weihe der Kraft" zum Gegenstand
einer solchen Mummerei zu wählen. Der Vorschlag gefiel und es
wurde folgende Parodie des Stücks entworfen. In einem Austritt
desselben wird in Wittenberg ein Nonnenl"loster aufgehoben, nnd der
diese Handlung vollziehende sächsische Kanzler sagt den Frauen: ,,Geht
in die Welt nnd wirket Alle verlassen hierauf das Kloster, und es
ist im Stück keine Rede mehr von den in die Welt gestoßenen Nonnen,
nur Cathariua v. Born bleibt auf der Scene um später L-uthers Frau
zu werden. Die Parodie sollte nun ergänzend das fernere Schicksal der
übrigen Nonnen darstellen. Diese nämlich, so ward angenommen,
zieheu,- um einen Wirkungskreis zu suchen, nach Berlin, und finden
hier in Madame Etschern (einer bekannten Kupplerin) die Vorsteherin
unter der sie zu wirken anfangen. Als Luther solches vernimmt, reist
er in Begleitung seiner Hausfrau nach Berlin um die neue nutzbar
gemachte Frauenanstalt zu besuchen. Hier macht er eines Tages zur
Erholung eine Schlittenfahrt mit den ehemaligen Lebensgesährtinnen
seiner geliebten Catharina und ihrer neuen Vorsteherin, der Madame
Etschern, die auch auf Observanz zu halten hat, und ihre pflegebe-
fohlenen Jungfrauen nicht ohne Aufsicht in die Welt lassen kann.
Nostitz gibt zwar zu das; der ,,Spasz etwas roh" war, findet es aber
doch rigoristisch und iibertrieben das; der König und die Regierung die
Urheber und Theilnehiner des wirklich ausgeführten Zuges streng be-
strafte. Solcher Art waren die noblen Vergnügungen der säbelschlep-
penden und prahlenden militairischen Jugend in dem Augenblick wo Na-
poleon Oestet-reich niederwarf und Preußen in seiner Existenz bedrohte!
Eine sehr anziehende Episode bildet in den Nostitz"schen Auszeich-
nungen dasjenige was er über den Wiener Cougi-eß in seinen Tage-
bücheru niedergelegt hat. Es finden sich darin über die Verhältnisse