Widernatürlirher Krieg.
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so hätte es keinen Sinn, wenn der Seligen Saal davon besudelt werden
soll. Es muß das Fleisch und Blut der im Krieg Erschlagenen gemeint
sein, und da sonst die Germaneu den Krieg nicht verabscheuen, vielmehr
gleichsam nur Kampf und Schlacht athmen, im ungerechten Kriege,
im Kriege des Bruders gegen den Bruder. Daß dies; wirklich
gemeint sei, zeigt sieh hier darin, daß Managarm den Mond nicht eher
verschlingt bis Windzeit und Wolsszeit eingetreten sind und der Fimbul-
Winter gekommen ist. Auf seine ,scharfen Winde' ist mit dem ,Wiithen
aller Wetter- hingewiesen. In ihm offenbart sich zuerst das Mitgefiihl
der Natur mit den Menschenlooßen.
Wie diese Wölfe sich mit dem Mark gefällter Männer mästen, so
wird auch Fenrir nach D. 34 (s. H. 39) von Tvr, dem Kriegsgott, ge-
füttert, ein Wink, daß er hier nicht sowohl den Krieg überhaupt, dem,
so weit er von der Sitte geboten wird, Odiu vorfteht, als vielmehr den
ungere(hteu, widernatürlichen Krieg bedeutet, welcher Verwandte gegen
Verwandte führt. Nicht also weil er der Kühnste ist unter den Göttern,
wie D. 34 meint, füttert er dengFenrir, sondern ans dem tiefern Grunde,
deHen sich die jüngere Edda nicht mehr bewnst war, wie ihr auch D. 12
das Verständniss der alten Symbolik ausging. Daß Tyr den Riesen
verwandt ist, geht aus Hymiskwida hervor; ,den Menschen gilt er aber
nicht für einen Friedensstifter", heißt es D. 25 in ähnlichen! Sinne. Jn
Deutschland mochte Tyr (Zio) wie ursprünglich auch im Norden bedeu-
tender hervortreten: in der E-dda spielt er nur eine untergeordnete Rolle:
die Wöluspa läßt ihn nicht einmal an dein letzten Wettkampf Theil neh-
men nnd wenn es Gylfaginuing (D. 51) thut, so wird sieh Z. 46 zei-
gen, daß sie auch dabei von einem Missverftändniss ausgeht.
Indem jene Wölfe Sonne und Mond verschlingen, machen sie selbst
schon einen Anfang mit dem Untergange, und obgleich erst Feurir die
volle Vernichtung bedeutet, so dürfen doch Wöl. 32 jene Wölfe als Fenrirs
Geschlecht bezeichnet werden. Die nächste Folge des Verschlingens der
Himmelslichter ist nun das Erdbeben, das so heftig ist, daß alle Ketten
und Banden brechen und reißen. Von Loki, wißen wir, kommt das Erd-
beben her: er wird also bei der Verfinfterung der Welt, die der Ausdruck
ist für die Verfinsterung der Götter, die Verdunkelung der sittlichen Be-
griffe, die Zeit feiner Befreiung gekommen fühlen und an feinen Feßeln
riitteln, die auch wirklich, gleich denen Fenrirs, von der Gewalt des Erd-
bebens brechen. Aber warum fühlte Loki die Zeit seiner Befreiung nicht
skÜk)cr gekommen, warum gelingt ihm jetzt, fragen wir auch hier, was er
sTÜher nicht vermocht hatte? Weil alle Bande gelockert sind durch die
Allgemeine Entsittli(hnng, da selbst die festeften Bande, die Bande des
Bluts, ihre Kraft verloren haben. Die Ketten und Bande, von denen