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Unmöglich aber wäre es gewesen, stehen zu bleiben. Die
Aufregung der Gemüther war zu groß, um sich mit der Docs
trin allein zu begnügen. Auf die Lehren die man erschüttert,
waren Gebränche gegründet die jeden Augenblick des täglichen
Lebens beherefchten; von dieser thatkriiftigen, sich selber fühlens
den, durch mächtig erwachende Jdeen vorwärts getriebenen
Generation ließ sich nicht erwarten daß sie ihrer Ueberzeugung
Gewalt anthun, und Ordnungen befolgen würde die sie zu
verdammen anfing.
Das Erste was geschah war das Allerpersönlichste.
Ein paar Pfarrer in der Nähe, die sich zu der Witten:
berger Schule hielten, iJacob Seidler aus der Glashütte und
Bartholomäus Vernhardi von Kemberg sprachen sich selbst von
der Pflicht des Cölibates los. Es war das diejenige Einrichtung
der Hierarchie, die wegen der natürlichen Neigung der Deutschen
zu einem traulichen Familienleben bei dem deutschen Clerus von
Anfang den meisten Widerspruch gesunden, und in ihren Folgen
die Moral der Nation am tiefsten verletzt hatte. Die beiden
Pfarrer gaben als ihren Grund an, daß es keinem Papst und
keiner Shnode sreigesianden, die Kirche mit einer SaHuug zu
beschweren, welche Leib und Seele gefährde1J. Hierauf wurden
beide von der geistlichen Gewalt in Anspruch genommen. Aber
nur Seidler, in dem Gebiete des Herzogs Georg Von Sachsen,
ward ihr überlassen: er ist da in dem Gefängniß umgekommen.
Gegen Vernhardi lieh Churfürst Friedrich dem Erzbischof von
Magdebnrg seinen Arm nicht: er wollte sich, wie Spalatin es
ausdrückt, nicht zum Schergen brauchen lassen. Carlsiadt faßte
Muth, das Institut des Cölibates in einer ausführlichen Schrift
t11Iz11greisen.
Wie der Cölibat die Uebertragung eines Mönchsgelübdes
Auf TM Priefierstand war, so stand die Auflösung desselben auch
mit den Ideen über das Klosterwesen in Verbindung. Jn der
kIEiUM AU9Ufiinerkirthe in welcher Luther anfangs aufgetreten,
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