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Poseidon.
Alle Wasser der Erde, die süßen wie die salzigen Fluthen,
waren bei den Griechen unter den Schutz eines mächtigen Geistes
gestellt. Aus den verschiedenen Namen, unter welchen dieser Gott
angerufen wurde, find unterschiedene Göttergestalten geworden. Nes
reus und Phorkhs sind durch den Poseidon in den Hintergrund
geschoben worden, der beim Homer ,,der älteste nnd der beste der
GötterU heißtIJ. Er war den Griechen ein fruchtbringeuder Gott,
der in dürren Ebenen nntadlige Quellen heroorspringen ließ II, with:
.rend sein Zorn die Ströme im Sommer versiegen machte II. Den
Indern war das Meer fern und fremd, bis sie die Küsten des
Dekhan kolonisirt hatten; das Land, welches die Griechen eingenoms
1nen, war rings Vom Meer umgeben. So war es der mächtige
Eindruck des Meeres, welcher der Gestalt des Poseidon die bestim1n:
testen Züge lieh und alle übrigen erbleichen ließ. In dem ges
waltigen Spiel der unermeßlichen Wogen trat den Griechen die
Kraft Und Art des Wassergottes am lebendigsten vor Augen. Die
Tiefe des Meeres ist die Wohnstätte des weitherrschenden Gottes.
Die erzhufigen Rosse, die er vor seinen Wagen spannt, sind die un:
ermiidlichen Wogen selbst; seine Brust ist breit, wie die Fläche des
Meeres, und sein Haar dunkel, wie die finsteren Wellen. Rosse und
schwarze Stiere, dunkel wie der Grund des Meeres, sind die dem
Poseidon gehörenden Opser4J. Wie Zeus die Aegis, die Wetter:
Wolken bewegt, so ist Poseidon der Beweger der stiirn1ischen Wogen,
darum heißt er Aegeus d. h. der Erschütterer; das aegaeische Meer
hat von diesem Namen des Poseidon seine Bezeichnung empfangen.
Der poetischen Anschauung der Griechen schien es, als ob ihr Land,
von allen Seiten Vom Meer umflossen, von diesem emporgetragen
und gehalten würde. So meinten sie, daß der Gott des Meeres
ihnen das Land gefestigt und die Inseln gegründet habe. Wenn
der gewaltige Gott zürnte, dann erbebte die Erde unter den
Wogenschlägen des Meeres. So war ihnen PDseidon der Erds
träger und der Erderschiitterer. Die Erdbeben kamen von ihm5J.
Hi
V Oel. 13, 143. Preller, Mythol. l, 352. u. Welcker. Götterlehre 1,
620s leiten Poseidon von 7rcfrcq,so; und wäre; dem tnnkbaren Wasser ab.
2J Der Dienst des Poseidon Phytalmios und das Priefterthum der Antheade11
zu Troezene; Pausan. 1l, 32. Aosohy1. sept. o..Th. 305. und die Sage
von der Quelle Amymone bei Argos. 3J So die Sage von Argos.
4;11ias 21,132.20,430. od. 3, S. Pauscm. 8,7, 4. 5I Akisc0p12.
Lysist. 1138. Xenoph. Hallen. 4, 7. Pausan. Z, 11.