neue Hauptstadt.
Die
AnsprüSkJE
Von
Jllyricum.
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nicht im Stande, das Schicksal seiner Dynastie zu leiten und zu sichern,
schon weil sie ein entsetzliches Geschlecht war. Er mußte es darauf
ankommen lassen, welchem Erben einst das Reich und die Eonstanti:
nopolis schließlich anheimfallen würden.
Die geographischen Gründe, welche man sonst geltend macht,
dürfen wenigstens nicht überschäht werden. Byzanz lag allerdings den
am meisten bedrohten Grenzen viel näher als Rom; die Donau: und
Pontusgothen und die Perser konnte man von hier aus weit besser
beobachten. Allein mit den Franken und Alamannen war es trotz,
aller Siege noch nicht so zu Ende, daß die so weit entlegene Rhein:
grenze als unbedingt gesichert hätte gelten können. Außerdem ist es
noch eine Frage, ob die Hauptstadt vorzugsweise in eine der am meisten
gefährdeten Gegenden des Reiches gehörte, wo noch vor wenigen Jahr:
zehnten gothische Raubflotten ihr Wesen getrieben hatten. Dießmal
erhielt sie freilich eine solche Befestigung, daß neun Jahrhunderte hin:
durch alle Völkerftürme vergebens an ihre Mauern prallten.
Byzanz hatte aber noch eine ganz andere geographische Bedeutung
als bloß die eines uneinnehmbar festen WaffenplaHes. Erinnern wir
uns, welche Rolle das sogenannte il1yrische Dreieck, d. h. die Länder:
masse zwischen dem schwarzen, ägäischen und adriatischen Meer im
dritten Jahrhundert gespielt hatte; seine Feldherrn und Soldaten,
darunter die constantinische Familie selber, hatten das Reich gerettet
und beherrscht; es durfte nun die Residenz für sich verlangen, und so
ist die Constantinopolis zunächst der Ausdruck und die Ehrenkrone
von Jllyricum. Eine Aussage des Zonaras berechtigt zu dieser Ver:
muthung; Constantin soll nämlich Anfangs sogar an eine Stadt des
tiefen Binnenlandes, Sardica Cdas jehige Sofia in BulgarienJ gedacht
haben,I wobei ihn offenbar nur die Rücksicht auf das bevorzugte Volk
im Reiche leiten konnte.
Die Constantinopolis sollte aber wohin sie auch zu liegen kam
gis überhaupt keine bloße Residenz, sondern der Ausdruck der neuen
Zustände in Staat, Religion nnd Leben werden.2 Der Gründer hatte
I Vgl. auch den Anonymus bei Müller, p. 199.
Eonstantin pflegte damals oft zu sagen: ,,Mein Rom ist Sardica.U
Es ist nicht die Gegend von Sardes in Kleinasien gemeint.
E Wie untergeordnet die Idee der Residenz erschien, geht schon daraus