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Siebenter Abschnitt.
Alterung des antiken Lebens und seiner Cultur.
bei nackten Figuren, vorherrschen, so darf man daraus vollends nicht
auf eine Durchschnittstracht schließen. Viel richtiger führen uns hier
die schriftlichen Aussagen, und diese geben Kunde von einer überla:
denen, ausgearteten Tracht, welche wohl ein römischer Rococo heißen
könnte, wenn man uns diesen profanen Ausdruck gestatten will.
Statt einen Abschnitt aus den vorhandenen Geschichten des Co:
stüms herzusehen, begnügen wir uns mit einigen Andeutungen. Es
giebt ein Gedicht1 aus der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts, von
Arborius, dem Oheim Auson,s, ,,an eine allzusehr gesuchte Nymphe,tt
worin ein gallisches Mädchen beschrieben wird. Ihr Haar ist mit
Bändern durchflochten und in eine große Spirale Lin mu1tip1icem
orbemJ toupirt; oben darauf siht noch eine Haube von Goldstoff; das
Halsband scheint roth, etwa von Korallen, gewesen zu sein; das Kleid
reicht hoch bis an den Hals herauf und ist mit Binden wie mit einer
Schnürbrust umgeben. Ueberhaupt hatten die anliegenden Kleider, zu:
mal die Aermel,2 sehr überhand genommen. Die genannten Haar:
touren waren schon seit Jahrhunderten in der Regel ausgeseSt und
sind selbst an einzelnen Marmorbüsten zum Abnehmen beim Wechsel
der Mode eingerichtet. Früher als Arborius klagt Arnobius über die
Binden, wahrscheinlich von Goldftofs, womit viele Damen sich die
Stirn verdeckten, sowie über ihre nach Mannesart gebrannten Haare.
Ganz widerwärtig ist vollends die Art des Schminkens, welche dem
Gesicht nicht bloß eine andere Farbe, sondern selbst eine andere Form
gab. Die rothe wie die weiße Schminke nämlich wurden so stark auf:
getragen, daß die Frauen aussahen ,,wie Götzenbilder0, und daß jede
Thräne, welche über die Wange floß, eine Furche zurückließ. So
spottet wenigstens Sanct Hieronymus, welcher aus seiner srühern Zeit
hierüber Bescheid wissen mußte. Eine Hauptveränderung, die viel:
leicht gerade in diese Zeit fällt, ist das Auskommen gemodelter und
geblümter Stoffe gegenüber den einfarbigen, welche die allein würdige
Bekleidung des Menschen sind, weil sie allein die Massen und
die Falten, also mittelbar die Form, Haltung und Bewegung des
Leibes selber ungestört bemerken lassen. Constantin erhielt von srem:
den Gesandten ,,mit Gold und Blumen gewirkte barbarische Gewän:
I Bei Wernsdorf, P0ef,9e lata. min. vol. IlI.
D S. Hieronym. ep. 38. ad Maroe11am. und
eps
130.