Religionszustand
Aegypteus.
Die Hierarchie.
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Weise besser gegen die fremden Herrscher wahren konnte, theils ihrem
althergebraihten Organismus. Kein Volk der alten Welt hatte sein
ganzes Leben so völlig von heiligen Lehren und Vorschriften abhängig
gemacht, wie das ägyptische. Die besten Kräfte der Nation sind hier
seit Jahrtausenden darauf gewandt worden, das Verhältnis; zum
Ueberirdischen durch Symbole zu verherrlichen; Tempelbau, Feste,
Opfer und Begräbnis; nehmen einen Raum ein, neben welchem das
bürgerliche Leben, der Ackerbau und der Handel nur eine untergeord:
nete Geltung können behauptet haben. Ein solcher Zustand, der nie
gründlich abgeschafft oder durch etwas wesentlich Neues verdrängt
worden war, mußte noch auf das stärkste nachwirken. Noch standen
die meisten Tempel unberührt; was Eambyses und die Perser zerstört
hatten, davon hielt ein leidenschastlicher Abscheu das Andenken selbst
in der römischen Zeit frisch. Die Priester, welche noch die Paläste
bei und an den Tempeln inne hatten, thaten ohne Zweifel das Mög:
liche, um die Orakel und Opfer in Glanz und Ehren zu halten und
die Processionen durch die weiten Hallen und Hofräume, durch die
Alleen von Sphinxen und Widdern mit alter Pracht zu feiern. Wenn
wir annehmen dürften, daß die ganze Hierarchie noch in demselben
Umfang fortgedauert habe, wie sie unter den Ptolemäern nachzuwei:
sen ist,1 so würde dieß ein Heer von geweihten Personen ausmachen.
Zwar hatte man dieser gefährlichen Macht die Spihe abgebrochen;
die Ptolemäer hatten den Oberpriester ihrer eigenen vergöttlichten
Person mit dem Oberpriester von ganz Aegypten identificirt und ihm
seinen Siy in Alexandrien angewiesen; auch die Römer wußten sich
zu helfen, wenigstens unter Hadrian versah diese Stelle eines ,,Ober:
priesters von Alexandrien und ganz AeghptenU ein Römer, L. J. Ves:
tinus, der zugleich Vorsteher des Mnseion7s von Alexandrien war.2
Aber die Masse der Priester bestand ohne Zweifel fortwährend aus
Aegyptern; da war der Prophetes, welcher Qrakel spendete oder ge:
wisse besonders heilige Opsergebräuche vollzog; die Hierostolen, welche
die Garderobe der Götterbilder besorgten; die Pterophoren, welche
Flügel auf den Köpfen trugen; die Hierogrammateis, welche einst
I Für das Folgende s. Böckh, c0rpus inscr. ginge. 111, fasc. II, Eins
leitung.
I Womit Strabo XV1I, 1 zu vergleichen.