Die
Göttin.
große
und
Astarte
Urania.
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Wir sehen einstweilen ab von der ägyptischen Jsis, welche eine
verwandte Nebenform dieser großen Göttin ist, und verfolgen diese
leHtere unter ihren noch im dritten Jahrhundert nachweisbaren Ge:
stalten.
Das alte Testament kannte und verabscheute sie als Astharoth, und
noch immer gab es in Phönicien Tempel der Astarte; Lucian kannte
einen solchen in Sidon. Er spricht davon beiläufig in der berühmten
Schrift ,,von der syrischen Göttin, It welche uns hier zunächst als Quelle
der Thatsachen interessirt, nicht weniger aber, weil sie die Stellung
des frioolen, griechisch gebildeten Syrers zu seinem heitnischen Cultus
so merkwürdig bezeichnet. Nirgends hat er den Hohn so weit getrieben
als hier, wo er sich naiv stellt und den Styl und den ionischen Dialekt
des ehrlichen alten Herodot nachahmt, um die ganze gloriöse Lächer:
lichkeit jenes Göyendienstes recht unmittelbar wirken zu lassen. Hier
lernt man aber auch erkennen, welche Bilder die Jugend des Spötters
umgeben und beherrschen mußten, bis er mit allen Culten und allen
Religionen brach. Ein Athener hätte diese Bücher nicht schreiben
können.
Von Phönicien aus verbreitet sich derselbe Dienst unter dem
Namen der ,,himmlischen GöttinH weit über das Mittelmeer und
vermischt sich mit dem classischen Cultus; die Griechen erkennen sie als
Aphrodite urania, die Römer als Venus cölestis an, und diese Namen
bekommen später auch in den eigentlich semitischen Ländern Geltung.
Man dachte dabei nicht an Aphrodite als Göttin der Liebe und des
Liebreizes, sondern als Erzeugerin.I Die Jnsel Cypern, wo griechische
und semitische Bildung ineinander flossen, war dieser Göttin vorziig:
lich geweiht, Paphos und Amathunt sprichwörtlich für ihren Dienst.
Auch die Jnsel Cythere CCerigoJ und das Heiligthum des Berges Eryx
in Sicilien gehörten der Urania; in Carthago war sie wenigstens in
ihrer fpätern Umbildung die wichtigste Gottheit, und selbst in dem
Namen der Stadt Gades, Gadeira CCadixJ liegt vielleicht die Räum:
lichkeit eines alten Uranientempels angedeutet. Diese Heiligthümer
waren ganz anders angelegt als die Göttertempel der Griechen; da
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Ob Aphrodite überhaupt und selbst ihr Name semitischen Ursprungs
feiP Vgl. Schmuck, a. a. O., S. 210.