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Morgenland und Abendland.
geben ihr eigen ist, gebären naturgemäß auch viel zentrifugale Kräfte,
und denen steht gegenüber die unbedingte Konzentration der Kraft,
welche, eben wegen der Ausschließlichkeit ihrer Grundsätze, den anderen
Mächten zu Gebote steht; auch den ersten großartigen Erfolgen der
mohammedanischen Araber lag ein solches konzentrirtes Kraftaufgebot zu
Grunde. Mächtig haben Spanier und Franzosen die Volkskraft in
sestgeschlossenen Staatsbildungen zusammengefaßt und der germanischen
Welt entgegengestellt; in gleicher Weise tritt heute Rußland gegen die
Germanen auf den Plan, welchen die staatliche Jndisziplin so tief im
Blute steckt. Zu hoffen ist jedoch, daß der Protestantismus je länger
je mehr als ein Korrektiv wirken möge, denn kein Bekenntniß betont
so wie er den Gehorsam gegen die weltliche Gewalt und deren Ursprung
als von Gott, so wie auch kein anderes so willig die Kompetenz der
staatlichen Machtbefugniß anerkennt, die Grenze, was des Kaisers ist,
so weit bemißt, während Jslam, römische und byzantinische Kirche solche
Grenze grundsätzlich überhaupt leugnen und in letzter Jnstanz über
jeder Machtäußerung des Staates ein sie regulirendes und bestimmendes
Reiht der Kirihe verkünden.
Nachdem Tarik in Spanien Fuß gefaßt hatte, begann nun die Erobes
rung des Landes; die Macht der Westgothen ward in der mehrtägigen,
Ju1i7u am 19. Juli 7l1 begonnenen Schlacht von Xeres de la Frontera
CeigentliO zwischen Conil und Vejer de la Frontera unweit Cadiz ges
schlagenJ niedergeworfen und dann von ihm und seinem später an seine
Stelle tretenden Vorgesetzten Mussa die gesammte Halbinsel unter:
worfen. Jndessen kaum war das geschehen, so gingen die Bekenner des
Jslam abermals weiter, über die Pyrenäen hinaus nach Frankreich
hinein, und hiermit stießen sie auf den Kern der christlich:germanischen
Welt, damit aber auch auf den ihrer Ausdehnung Ziel und Schranken
setzenden Widerstand.
Das Reich der Franken war, wie wir gesehen haben, im ersten
Viertel des 7. Jahrhunderts unter Chlotar II. wieder vereint worden,
und hierbei hatten, als es sich um Zurückgewinnung der Herrschaft
über Austrasien handelte, eine entscheidende Rolle zu Gunsten Chlotars
gespielt Männer des Geschlechtes, welches später des gesammten Franken;
Volkes, ja des ganzen christlichen Westeuropa Geschicke leiten sollte,
nämlich die austrasischen Magnaten Pippin und Arnulf, dieser Bischof