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Abendland.
Morgenland und
nosse der fanatischen Religionsverkiinder, deren Vorbild uns die jüdische
Ueberlieferung in ihrem Moses giebt; wie dieser ist er nicht ein leb:
hafter, weitnmfassender, großer Geist, ein Staatsmann, auch nicht, eben:
falls wie Moses, ein Prediger, ein Dialektiker, der durch die Gewalt des
Wortes überredet, sondern erscheint in Vielem geistig eng beschränkt, aber
wirkt und ist groß durch die Gewalt des Karakters, mit der er die
von Gott empfangene Wahrheit seinem Volke aufzwingt, durch den
festen unerschiitterlichen Glauben an sich selbst und seine göttliche
Sendung. Entsprechend solchen Naturen sind aber auch deren Religionen.
Ueber diesen orientalisch:semitischen Religionen ruht es wie ein heißer
Wüstenhauch, sowohl über dem Mohammedanismus wie über dem
alten Judenthume; der verwüstenden Kraftentwickelung eines ungeheuren
Fanatismus sind diese Lehren fähig, aber nicht der gleichmäßig milden
Wirkung, die auch die kleinste Pflanze zum Wachsen und Gedeihen
bringt. Wunderbar ist uns Christus auch darin, daß er, selbst Orientale
und Semit, diesen vertrocknenden Wüstenhauch gänzlich von seiner Lehre
fern zu halten wußte.
Mohammed beginnt mit seiner Sendung in seiner Vaterstadt
Mekka, gewinnt auch, hauptsächlich unter seinen nächsten Anverwandten,
Gläubige seiner Lehre, allein in dem folgenden Jahrzehnte bleibt es
bei deren geringer Anzahl, während die anderen Bewohner der Stadt
sich so feindlich gegen ihn nnd die Seinigen stellen, daß er, schließlich
ernstlich bedroht, sich genöthigt sieht durch Flucht nach Medina, wo er
s52pi.s22 schon Anhänger gesunden hat, September 622 sich in Sicherheit zu
, bringen. Dieses Ereigniß, die Hedschra, wird dann später zum Aus:
gangspunkte der mohammedanischen Zeitrechnung, da mit ihm der wahre
Aufschwung und Erfolg der Lehre des Propheten seinen Anfang nimmt.
Er beginnt, zunächst in Medina selbst, nicht ohne einige Gewalt:
samkeiten, seine Lehre zur unbedingten Herrschaft zu bringen, dann aber
sie weiter auszubreiten und insbesondere zu diesem Zwecke die Mekkaner
zu bekämpfen. Erfolg wechselt mit Rückschlägen, doch im Ganzen
gelingt es dem Propheten, das Uebergewicht zu gewinnen, wie es denn
meist im Leben dem gelingt, der voll und ganz einem Zwecke lebt, und
wie denn auch meist das Vordringen, der Angriff, das Neue dem Stand:
halten, der Vertheidigung, dem Alten überlegen ist. Das Letztere war
eben die Rolle der Mekkaner, sie wollten die bisherige Lage der Dinge,