Ihre Uek1erIadenheit.
Es giebt viele gothische Bauwerke und zwar aus
der Blüthezeit, an welchen durchaus keine überreiche
Verzierung zu finden ist. Sie wirken zumeist durch
die schlichte Schönheit ihres Grundrisses und durch
ihre wenig verwickelten, in richtigem Verhältniß zu
einander stehenden anmuthSvol1en Formen. Die am
meisten charakteristischen gothischen Bauten verdanken
dennoch einen gewissen Theil ihrer Wirkung
der überreichen Aus-schmückung, und viele, die am
mächtigsten aus den Geist der Menschen wirkten,
haben nur in Folge dieser Beschaffenheit diese Wir-
kung erlangt. Wiewohl auch der, welcher sich einge-
hend mit der Gothik beschäftigt, sich einen Geschmack
bilden mag, dem einige vollkommenen Linien eher ge-
fallen, als eine mit Steinverzierungen iiberreich ge-
schmückte Fa(;ade, so dürfte dennoch der Bau nicht als
der beste gelten, der solch einem Geschmacke entspricht.
Denn, wie ich oben gezeigt, bleibt die erste Grund-
bedingung des gothischen Baustils die, daß er die
schlichtesten wie auch die erhabensten Geister mitwir-
ken läßt und sowohl bei diesen als jenen Bewunde-
rung wachrust. So widersinnig die Behauptung auch
klingen mag: sein Reichthum ist gewissermaßen ein
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