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deswegen mit ihrer Arbeit kein Ende finden konnten,
weil ihnen am Gewebe lag, sondern weil sie immer
neue Thatsachen hinzuzufügen hatten. Alle jene Wirk:
nngen der Transparenz und des zurückgeworfenen
Lichts, nach dem man auf gewöhnlichen Kreide:Zeich:
unngen strebt, sind falsch. Denn da alle Lichter im
Vergleich zu noch stärkerem Licht Schatten sind, nnd
Lichter nur insofern, als es noch schwächere als sie
giebt, so folgt daraus, daß in ihrer Qualität als solcher
kein Unterschied liegen kann; das Licht ist undurch:
sichtig, wenn es Substanz darstellt, durchlässig, wenn
es Raum darstellt; und ganz ebenso ist der Schatten
undurchsichtig, wenn er Substanz darstellt, durchlässig,
wenn er Raum darstellt. Aber im gewöhnlichen Sinn
des Wortes ist er auch dann nicht einmal dnrchlässig,
noch ist er durch Punktieren oder schraffierte Querstriche
darstellbar, sondern durch ins Unsichtbare verschwin:
dende zarte Striche. Sie werden jetzt den Nutzen ein:
sehen, der darin liegt, Lionardo zum Führer zu haben.
Denn in allen Fragen der Ausführung ist er unver:
gleichlich; im 28. Kapitel seines ,,Traktas über die Mag
lereiU aber heißt es, die Schatten fallen s:d01ce e sfus
m0se::, sollen zart 1md wie aufs Papier gehaucht sein.
Ein Blick auf Michel Angelos vollendete Zeichnungen
oder auf Correggios Skiz;.en wird Sie dann davon
überzeugen, daß die wahre ,,A1n1neU des Lichts in der
Kunst wie in der Natur die Wolke, d. h. eine zart