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,Ludwig
Richter.
bescheidene Liebenswürdigkeit, das wohlthuend tiefe und schöne
Gemüth des Mannes konnte kein Zweifel bestehen, wenn man
ihn näher betrachtete, wie er Abends in der Kneipe zwischen
seinen Freunden, dem frommen Nazarener Peschel und dem
trocken wiYigen Stimmungslandschafter Oehme saß. Sie bil:
deten zusammen ein unzertrennliches Kleeblatt von Stillen im
Lande, in welchem Richter als der offenbar weitaus bedeu:
tendste wie der Heiland zwischen den beiden Jüngern saß,
wenn sie sich ihre Bemerkungen bei einer Stange des entsetzlich
schlechten sächsischen Bieres immer nur ganz leise mittheilten.
Von Zeit zu Zeit überslog dann das kluge wohlwollende
Gesicht Richter,s jene eigenthümliche Helle gleich einem Sonnen:
strahl, der durch nmttes Gewölk verstohlen bricht um rasch
wieder zu verschwinden. Hätte es damals noch Osenbänke in
den Schenken gegeben, so würde sie dieses berühmte Trifolium
unstreitig monopolisirt haben, da sie sich nun mit dem dunkel:
sten Winkel begnügen mußten in dem an sich finstern und ärm
lichen Meißner1schen Cafe in der Schlos;gasse, dessen einzigen
Schmuck die nickende Porzellansigur des Jnhabers bildete,
während in drei Stinkchen alten Zwetschgenkuchens nebst ei:
nigen Tassen Blün1chenkasfee und ,,CacaoU um alle Ausreg:
ungen zu vermeiden die Ausstattung bestand. Kein Mensch
dachte in jener frühen Zeit daran, daß der wohl als begabt
geachtete, aber weder von Anderen noch sich selbst auch nur
entfernt in seiner Bedeutung geahnte Künstler dereinst einen
solch großen Ruf erlangen würde. s
Auch später als sein Namen schon in allen deutschen
Landen galt, malte sich in der ziemlich düsteren nackten Kammer
eines kleinen Hauses der pirnaischen Vorstadt mit ihren rau:
chigen Wänden und dem Amenblement der paar Rohrstühle