Volltext: Deutsche Künstler des neunzehnten Jahrhunderts (Reihe 1)

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Gottfried 
Semper. 
gethiir111t mit einer Kühnheit, die uns den ganzen Triumph 
der vollendeten Herrschaft der Kraft über die rohe Materie 
mitfühlen läßt, so spricht uns hier aus jedem Bauglied die 
Feinheit eines hochgebildeten Geistes, der sich im anmuthigsten, 
heitersten Formenspiel scheinbar völlig gehen läßt und doch 
alles Einzelne aus einem großen Gedanken heraus organisch 
entwickelt. 
So wohlthätig er aber auch wirkte, bald aus Nativiss 
mus, bald aus sonstigem Unverstand oder wohl auch aus 
Rohheit geschah es ihm in der Schweiz, daß man wiederholt 
seine schönsten Pläne unausgeführt, oder sie wohl auch durch 
Andere beniit3en ließ.  Besonders zu bedauern ist, daß das 
schöne Projekt für einen großen Gasthof in Ragaz nicht zur 
Ausführung kam, so wenig als das einer kleinen protestanti: 
schen Kirche in Winterthur, eines bramantesken Rundbaues 
mit Flachkuppel von unvergleichlich ernster An1nuth. Um 
so reizender wurde das dortige Rathhaus, das er ganz im 
griechischen Styl baute, ein wahrer Juwel von seiner Grazie, 
der allein schon einen Besuch dort lohnt, wenn er auch unter 
seiner prosaischen Umgebung gar sehr aussieht wie ein Mäds 
chen aus der Fremde. Um jene Zeit entstund das schöne 
Projekt eines Theaters für Rio Janeiro, welches das Motiv 
deß Dresdener viel reicher ausbildend, eine außerordentliche, 
fast exotischsüppige Pracht zeigt. Auch publizirte er nun den 
zweiten Band seines ,,Stylt7 und jene klassiehe Abhandlung 
,,über den Schmuck und dessen Bedeutung als Kunstsyn1boltt, 
die beide allerdings schon in London entstanden waren. 
Den Fluch des Architekten, daß so oft gerade seine herrs 
lichsten Entwürfe nicht zur Ausführung kommen, sollte Semper 
indeß erst noch bitter erfahren. Der junge König Ludwig 1l.
	        
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