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Sempcr.
Gottfried
Zustand unserer gesammten damaligen Cnltur in vollem Ein:
klang stand und sie durchaus entsprechend tviderspiegelte. Selbst
eine gewisse jugendlich keusOhe Herbigkeit in der Formbehand:
lang des Aeußeren verhieß eine Zukunft.
Wenn es nun Semper gelang, in dem sonst so zopfigen
Dresden eine solch neue Welt fast aus dem Nichts zu erschaffen,
so dankte er dies; einerseits der so verständnißvollen Mitwirkung
Rietschel7s und Hähnelis, wie der Unterstützung des so einfluß:
reichen als biedern und charaktersesten Jntendanten v. Lüttichau,
noch vielmehr aber seinen eigenen persönlichen Eigenschaften.
Was die Ueberlegenheit seiner Jntelligenz niemals vermocht
hätte, das bewirkte die dämonische Kraft seines Willens, man
wich ihm, weil man ihn fürchtete, weil er in seiner Leiden:
schast etwas Ueberwältigendes hatte. Denn berechnende Klug:
heit oder Schonung besaß er gar nicht, aber die vulkanische
Natur einer ächt schöpferischcn Kraft. Diese zeigte sich als:
bald in einer Reihe weiterer Gebäude. Der 1844 erbauten
priichtigen Villa Rosa in der Antonstadt gieng der gothische
sogenannte Cholerabrunnen, ein herrliches Project siir die
Nicolaikirche in Hamburg und die eine überaus geschickte Be:
nützung der iOertlichkeit zu imponirender Wirkung bringende
Caserne in Bangen voraus. Dann folgte das im venetianischen
Pallaststyl erbaute Oppenhei1n7sche Palais in Dresden. Dieses,
durch seine eigenthümliche Verbindung von vollen und üppigen
Formen mit einer gewissen strengen Würde,an Saniniicheli
erinnernd, macht, ohne über das Maß eines reichen Privat:
hauses hinauszugehen, doch den Eindruck sürstlicher Pracht
und zeigt bereits einen entschiedenen Fortschritt zu größerer
Freiheit der Behandlung. Schon bildete sich um den
Meister eine große Schule.und glänzte sein Name in der