196
und
Schick
Skhe1Jling.
endlich leid that es mir, daß ich diese Schrift nur zweimal nnd in
wenig Zeit durchlesen konnte, weil ich sie bald wieder abgeben mußte;
ich hätte sie gern wie mein Glaubensbekenntnis; bei mir behalten mögen.
Immer habe ich auch so gesprochen, nnd wurde damit, besonders von
Künstlern, ausgelacht, was veru1uthlich auch daher kam, daß ich diese
meine Meinung ans eine besonders bizarre Weise aussprach. Es wird
in den letzten Zeiten ein schreckliches Spiel mit der heiligen göttlichen
Kunst getrieben, gerade als sollte sie nur dazu dienen, die allergröbsten
Sinne des Menschen zu reizen. Kein Künstler will ihr mehr sein ganzes
Herz nnd seine ganze Seele weihen, kaum noch die Hand. Sie besuchen
wohl die Stauzen von Naphael und die Sixtinische Kapelle; sie stndiren
auch diese Meister des Herkommens halber, indem sie von Jugend auf
gehört haben, daß diese Beiden, Raphael sind Michel:Angelo, die ersten
Kunstheroen wären; sie finden auch viel Gutes in ihren Bildern, hier einen
Kopf voll Ausdruck, dort eine gut gezeichnete Hand, einen gut gezeichneten
Fuß, da einen gut eolorirten Körper, und dort ein gut geworfenes Ge:
wand, so daß man von ihnen sagen kann, daß sie den Wald vor lauter
Bäumen nicht sehen. Dies erbarmt mich, und ich denke, es ist die letzte
Zeit gekommen.H
Dieser Gedankenaustausch zeigt thatsächlich die Beziehung der Theorie
zur künstlerischer: Wirksamkeit an, nnd er wird immer eines der wichtigsten
geschichtlichen Denkmäler für das Verhältnis; beider zu einander bleiben.
Indem der Künstler dem Weisen.dankbar und briiderlich die Hand reicht,
sagt er ihm zugleich, daß die meisten Künstler in seiner Umgebung
wir werden sogleich anführen, welche Männer Schick ausnimmt, blind:
liugs noch den alten Gewohnheiten nachhängen. Er belriiftigt also den
Theoretiker nachdriicklich in dessen Meinung, daß man nicht ,,aus der
Asche.des Dahiugesunkenen Funken ziehen nnd aus ihnen ein allgemeines
Feuer wieder anfachenE könne; denn in dieser lebenden Asche akademisch
geschulter Künstler war kein echter Funken mehr von dem lebendigen Geiste
der Kunst.
Eigenthiimlich ist es nun zu bemerken, wie Schelling, trotz seiner
klaren Einsichten, trotz dieser Bekräftigung und Warnung, in dem Augen:
blicke, wo er das praktische Gebiet betrat, einem großen Jrrthum anheim:
fiel, indem er doch versuchte, aus der Asche Funken zu erwecken. Man
begreift dies, wenn mark ihn als Staatsbeamten benrtheilt; aber man
darf fragen, weshalb ein Mann von solchen Einsichte1x und Grundsätzen
ein Amt, welches ihn mit denselben in Widerspruch bringen mußte, an:
nahm9 Schelling wurde, vielleicht gerade in Folge jener Rede, Seeretär
der Münchener Kunstakademie; und man muß, will man ihm nicht Unrecht