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gesalbt ist, einfach die Geschäfte des Schulbüttels besorgt.
So mancher talentvolle Junge erliegt wohl gar diesem
strengen Gange harter 2Nühlsteine und geht physisch oder
moralisch zu Grunde. Von den Allermeisten aber kann
man sagen, daß He ihre Individualität einbüßen. Dieser
ganzen HetZjagd nach schablonenhafter ,,höherer BildungH,
welche ein täglich wachsendes geistiges Poletariat zur Folge
hat, ist durds das Phantom des EinjährigeniExamens
noch dazu eine Art offizieller Weihe gegeben worden. Nicht
mehr blos Mißgriffe in der Berufswahl, nicht mehr blos
gesellschaftliche Vorurtheile, sondern auch ersparte Dienstjahre
treiben immer weitere Volkskreise in den Hexenkessel der
Gelehrtenbildung.
Aber wenn doch nur die Nivellirung der Geister allein
zu beklagen wäret Für alle bildenden Künste und Gewerbe
erwächst aus dieser Dressur noch ein Uebelstand, der bei
den also Gedrillten gar nicht wieder gut zu machen ist.
Kunst kommt her von Können, und ein altes Sprichwort
sagt: ,,Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimn1ermehr.ts
Wenn nun Hänschen in seinen goldenen Jahren alles
Mögliche, nur nicht das lernt, worauf. es in den Künsten
vor Allem ankommt, nämlich das ,,Könnentt, so ist klar,
daß die ausschließliche G7mnasialbildung auf diesem Gebiete
ein großer Mißgriff ist. Jede Kunst erfordert ein gewisses
Maß von handwerksmäßiger Sicherheit, die aber mit Teich;
tigkeit erfahrungsmäßig nur in einem bestimmten Lebens:
alter erworben wird, nämlich in den Jahren der eintretenden
Reife und jedenfalls ehe das Herz des Jünglings von heißer
Liebe und großen Jdeen bewegt und von feurigem Thaten:
drang geschrvellt ist. Wie das kleine Kind mühelos jede
fremde Sprad2e parliren lernt, so leicht wird dem begcibten
Knaben bei rechter Lehre die Erwerbung technischer Fertigi
keiten. Der Verlust dieser Jahre ist für den Künstler ver:
hängnißvolI; sein angeborenes Talent wird ihm zwar, wenn