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durch dessen Schluß zu einer Vorstellung führt, welche das
Empfinden erregt, wird einzig durch Werke der bildenden
Kunst erzeugt. Diese Wirkung tritt dann ein, wenn das
Kunstwerk denjenigen Moment eines Ereignisses darstellt, der
zugleich die Ursachen der Entstehung oder den notwendigen
Ausgang des Ereignisses, oder beides erkennen läßt und der
daraus gezogene Schluß auf unser E1npfinden wirkt.
Die beiden leHten Arten der Wirkung werden ansschlies3:
lich durch Werke der Dichtkunst hervorgebracht. Die in ihren
Werken enthaltene künstlerische Vorstellung vermag nur die
Phantasie des Wahrneh1uenden zur Thätigkeit aufzurufen, so
daß sie Vorstellungen der Gattung, wie sie der Dichter in
seinem Werke dargestellt hat, nachbildet und dadurch das
En1pfinden direkt erregt, oder aber das,schließende Denken ans
den durch die Phantasie nachgebildeten Vorstellungen einen
Schluß zieht, welcher die Erregung des EInpfiudens bewirkt.
Kunstwerke können jedoch auch so gestaltet sein, daß sie
auf das E1npsinden in mehreren der angeführten Arten zu:
gleich wirken. So kann ein Gemälde durch seine Farbe nnd
Zeichnung, zugleich aber auch dadurch, das; sein Jnhalt unser
Denken erregt, gefallen, es wirkt also gleichzeitig auf zwei
Arten. Eine Dichtung in gebundener Rede wirkt durch das, was
sie uns sagt, gleichzeitig aber auch durch das Metrnn1 und, wenn
die Verse gerein1t sind, auch durch den Rei1n. 11nstreitig ist
diese gleichzeitige Wirkung aus verschiedene Art eine reichere,
der Wert eines Kunstwerkes, das sie hervorbringt, muß ces
teris paribus demnach auch ein größerer sein als der eines
Werkes, das nur auf eine Art, also z. B. eines Gecnäldes,
das nur durch Form und Farbe, oder einer Dichtung, die
in Prosa geschrieben nur durch das wirkt, was sie uns sagt.