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Natur und Kunst.
bis auf den Kopf, auf im Bade gemachte Beobachtungen
zurückführen.
Während die alten Künstler aber ihren olyn1pifchen Göttern
0nit einer bald zu erwähnenden AusnahmeJ die beim
Schwimmen entbehrlichen Flügel beständig versagten7J, legten
sie solche aufs freigebigste allen ihren allegorischen Gott:
heiten, den Personificationen ihrer Wünsche und Ideale bei,
gleich als wenn sie dadurch ihre Unwirklichkeit hätten an:
deuten und ihren Unterschied von den wahren Göttergestaltcn
versinnlichen wollen. So tragen vor allem die Sieges:
göttinnen, welche an die germanischen Walküren erinnern,
mächtige Flügel, ferner die Göttinnen der Hoffnung und
des Glückes CSpes und FortunaJ, die Aurora, der Todes:
gott und alle ähnlichen Begriffs:Gottheiten ohne Eigennamen.
Daher sehen wir auch den alten Saturn, sobald er nicht
als olympischer Vater des Zeus, sondern als Gott der Zeit,
gewissermaßen als Personification der gesammten Vergangen:
heit auftritt, mit mächtigen Schwingen ausgestattet; er tritt
dann eben in die Reihe jener allegorischen Gottheiten, deren
lustige Natur, Beweglichkeit, Wandelbarkeit und Unbeständig:
keit durch die Flügel ausgedrückt werden.
Eine ganz eigenthümliihe Mittelstellung und Doppelnatur
kommt in dieser Beziehung dem Amor zu, der einerseits
als Sohn der Venus, oder als Urgott und Beherrscher der
Menschen und Götter, zur olympischen Familie gehört,
andererseits aber als Personification des Gefühles, welches
die Geschlechter einander nähert, auch zu den allegorischen
II Nur ganz ausnahmsweise, z. B. als Jupiter Pluvius, sieht
man den Götterkönig auf der Marc Aurels:Säule zu Rom mit langen
Schwingen dargestellt, wie er im Jahre 174 im Kriege gegen die
Quaden das dürstende römische Heer mit Regen erquickt, einen Vorgang,
den die im Heere stehenden Christen als Wunder betrachteten und
ihrem Gebete zuschrieben.