der darstellenden
Die Grenzen
kunsEs
215
scheuten sich nicht, zeitlich auseinander liegende Handlungen,
wie Verkündigung der Geburt Christi an die Hirten, An:
betung der Hirten nnd womöglich noch Ankunft der heiligen
drei Könige in ein Bild zusammenznziehen, oder sie gaben
den Fortschritt der Handlung in mehreren, unmittelbar zu
einem Ganzen vereinigten Einzelnbildern. So hat Ghi:
berti auf einem jener schönen Reliefs, welche die Thüren
des Florenzer Baptisteriums schmücken, und von denen
Michel Angeln sagte, sie seien würdig, die Pforten des
Paradieses zu zieren, in einem und demselben Landschafts:
bilde die Erschaffnng der Welt, die Bildung des Adam ans
dem Erdkloß, die der Eva aus Adams Rippe und den
Siindenfall, also vier verschiedene Vorgänge dargestellt. Die
älteren Maler, Holzschnittzeichner und Kupferstecher ließen
außerdem aus dem Munde der handelnden Personen Spruch:
bänder ausflattern oder in ihren Händen schwenken, auf
denen die von den handelnden Personen ausgehenden Worte
standen.
Nur allmählich kam den mittelalterlichen Künstlern die
Erkenntniß, daß man in den bildenden Künsten, die man
genauer als Fläch enkünste LMalerei, Kupferstich, HolzschnittJ
und Raumkiin sie CArchitektur, Bildhauerei, Reliefl1ildnereiJ
von den zeiterfüllenden Künsten sMusik und Poesie;
trennen sollte, immer nur eine Haupthandlung und von dieser
wieder nur einen einzigen Moment wiedergeben kann, und
daß es nicht immer richtig ist, dazu den Hanptmon1ent zu
wählen. Denn nicht jede Stellung und Lage ist gleich
schön und berechtigt von den Flächen: und Raumkünsten
festgehalten zu werden, bei Märtyrerbildern z. B. wird man
selten den Todesaugenblick wählen, der in der dichterischen
Darstellung das höchste Pathos heransfordert, weil er erst
dem Märtyrer seine Krone verschafft. Allein wir wollen
die schmerzverklärten Züge des Dulders, nicht die verzerrten