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Die Farbe.
Wer sich für derlei interessirt, mag die betreffenden
Stellen in der Abhandlung ,,Ueber den Willen in der NaturU
nachlesen, welche in dem ersten Bande der Frauenstädtischen
Ausgabe des Philosophen enthalten ist.
Die alte, oben berührte Wahrnehmung, daß ein Stier,
wenn man ihm ein rothes Tuch vorhält, wüthend wird,
bringt uns aber überdies darauf, daß die Farbenempfindung
nicht nur subjectiv und individuell bei den einzelnen Menschen
ist, sondern daß der Mensch nicht nur als Jndividuum,
sondern auch als Gattung, als Geschlecht betrachtet, eine
ihm eigenthümliche Farbenempfindung besitzt, welche sich
von jener anderer Lebewesen unterscheidet, d. h. die Augen
der Thiere sind eben anders organisirt als die der Menschen,
daher müssen diese auch andere Farbenempfindungen haben
als wir. Wenn der Stier bei dem Anblicke der rothen
Farbe wiithend wird, so ist dies, weil das Noth sein Auge
schmerzlich trifft. Es ist auch constatirt, daß das Rind
von den Gegenständen im Raume einen Eindruck empfängt,
der ihm diese Gegenstände größer erscheinen läßt als uns.
Von der Pracht und Herrlichkeit, den Licht: und Farben:
phänomenen, welche einzelne Dipteren 1cnd Vierflügler,
wenn sie durch die Luft. schweben, genießen, können wir
keine Anschauung haben, weil wir nicht mit so unzähligen
Augen begnadet sind wie sie. Ihr Leben muß in einem
Licht: und Farbentaumel erwachen, dahingehen und schließen.
Dr. Max Schasler führt in seinem Buche: ,,Die
FarbenweltU, das im Jahre 1883 in Berlin.bei Carl Gabl
erschienen ist, ein interessantes Experiment an, aus dem
unwiderleglich hervorgeht, daß die Ameisen die Farben gelb
und violett vollständig anders sehen als wir. Gelb, welches
für uns die hellste Farbe ist Cda ja Weiß bekanntlich die
Vereinigung aller Farben istI, empfinden sie als dunkel,
und violett, das für uns die dunkelste Farbe ist CSchwarz