Die Kiinftlcr.
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auf Lrthographie dem großen Cornelius nicht überlegen
wäre. Denn bekanntlich schrieb dieser einer der größten
Maler der Deutschen vollständig nnorthographisch, auch
ohne Empfindung fiir die Shntax, aber er kannte voll:
ständig die griechische Poesie, wußte genau griechische Ge:
schichte, vertiefte sich 1nit Vorliebe in die Kirehengeschichte
und war in den Evangelien bewundert, wie der streitbarste
Theologe. Auch Makart, einer der gliinzendsteu Coloristen
aller Zeiten, besaß eine sehr mangelhaste Lrthographie,
aber er hatte ein Gedächtniß des Auges, wie nur wenige
Menschen. Proben davon ergaben sich wiederholt in dem
freundschaftlichen Verkehre n1it ihm. Da war einmal zu
einein Symposion eine Gesellschaft von Künstlern der ver:
schiedensten Art bei ihm versammelt. Das Gespräch kam
auf einen in einer italienischen Klosterbibliothek vorhandenen
Codex n11d auf die wunderbaren gothischen Majuskeln und
Minnskeln, die er enthalte. Friedrich Sch1nidt, der Dom:
baumeister, eine fraglose Autorität in diesen Dingen, sagte
nun: ,,Jch werde versuchen, Euch aus diesem Codex eine
der schönsten Majnskeln zu zeichnen.U Und Makart, der
wie in der Regel sehweigsa1u zugehört hatte, stand auf,
beugte sich über das Papier, ans dem Schmidt gezeichnet
hatte, und sagte: ,,So ist das nicht, lieber Freunds, ,,Ah,U
rief Schmidt ganz verblüfft. ,,Nun,U erwiderte Makart,
,,jeI3t schau zu, so ist es,U und er zeichnete den Majuskel,
nnd Dombanmeister Sehmidt nickte etwas wie beschämt
11nd sagte: ja, Du hast recht, Du hast es genau so
gegeben, wie nur die beste Photographie im Stande wäre.H
Makart gehörte zu den Künstlern, welche scheinbar ganz
willenlos von ihrem Dämon besessen und getrieben werden,
nnd doch mangelte es ihm keineswegs in der Produetion
an jener vom Verstande geleiteten Besonnenheit, ohne welche
ein echtes Kunstwerk niemals werden kann, und auch dafür