Der
Ausdruck.
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auch als noch so feinsühlig erweisen, leer und inhaltslos
blieb, ist wohl in Bezug auf Malerei nun deutlich genug
hervorgehoben. Wenn wir aber nun der Plastik uns zu:
wenden, so finden wir, daß auch bei dieser der Ausdruck
die allergrößte Rolle spielt. Wir haben bereits auf das in
dieser Beziehung eminente Werk der griechischen Bildhauer:
kunst, das Relief der Medusa, hingewiesen. Wir können aber
nun nicht umhin, den ,,LaokoonH als den Meister des über:
zeugenden Ausdruckes in Mienen, Haltung und Geberdeu
hervorzuheben. Das ist nun ein Werk, das jedem Einzelnen,
der sich mit Kunst beschäftigt, wohl vertraut ist, und welches
Lessing in seiner unsterblichen Schrift, die den Titel des
Kunstwerkes führt, erläuternd beleuchtete. Weniger vertraut
sind den Kunstfreunden wohl die griechischen Plastikcn, welche
die Kämpfe der himmelsstürn1enden Giganten, der Centaureu
und Lapithen, die A1nazonen u. s. w. zur Darstellung haben.
Es ist ohne Zweifel, daß in Bezug auf Sprache der Mienen,
auf den Gesichtsausdruck, dem größten Bildhauer Griechen:
lands, Phidias, vornehme Zurückhaltung zugeschrieben werden
muß, und doch sprechen seine Bildwerke so deutlich die Hand:
lung, welche sie darstellen, aus, daß niemand, der sie sieht,
in Zweifel iseinskann, was sie vorstellen. Er ist eben einer
der größten Meister der Sprache der Haltung der Körper
und der Geberdensprache. In einzelnen Fällen ist nicht nur
das Antlitz; beredt, sondern auch jeder Finger an der Hand,
ja jede Zehe am Fuß. Es hat von jeher Beispiele gegeben,
daß man gerade in Bezug auf den Ausdruck auch in der
Plastik zu weit gegangen ist, einzelne Gestalten Bernini7s
und von Meistern ähnlicher Richtung streifen an die Cari:
catur.
Es kam dies daher und wird immer auf den Grund
zurückzuführen sein, daß diese Meister einen ihnen voran:
gegangenen großen Bildhauer, in diesem Falle Michel Angeln,