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L5Ilichetangelo7s.
Lichtes
Capitel.
Michelangelo jedoch, der Vasari an der Art, wie er angeklopst
hatte, erkannte, kam mit einer Handlaterne herbei, um zu sehen
was er wolle. Nac;dem der Zweck seiner Anwesenheit erklärt,
schickt er Urbino hinauf um das Blatt zu holen, nnd Vasari,
der, während er wartet, bei dem beschränkten Lichte etwas von
der Gruppe mit den Augen zu erhaschen sucht, betrachtet das
Bein des Christus, an dem Michelangelo gerade arbeitete. Kaum
aber hat dieser gemerkt, wohin Vasari blickt, als er die Laterne
fallen läßt, daß sie.erlischt und beide im Finstern stehen. Nun
ruft er Urbino zu, Licht zu bringen, und indem er mit Vasari
den VerfBhlag .verläßt wo die Gruppe stand, sagte er: Ich
bin so alt, daß mich der Tod oft am Rockzipfel zupft, um
mitzukommen, und eines Tages werde ich wie diese Laterne
hinfallen und mein bischen Lebenslicht verlöscht.9
Oft mitten in der Nacht, wenn er nicht schlafen konnte,
stand er auf und arbeitete an diesem letzten Werke. Um da:
bei gutes Licht zu haben und doch nicht dadurch behindert
zu sein, hatte er eine Art Kopfbedecknng von Pappe erfunden,
auf deren Spiße er eine aus Ziegentalg gezogene Kerze an:
brachte, die nicht tröpselte, wie Wachs gethan hätte, und
ihm nicht im Wege stand. Die Gruppe aber ließ er zuleHt
liegen, da er einen Riß im Marmor entdeckte. Er wollte sie
zuerst zusammenschlagen, und schenkte sie dann einem seiner
jungen Leute. Heute ist sie in Florenz unter der Kuppel
von Santa Maria del Fiore aufgestellt, mit der Inschrift,
daß sie Michelangelo7s legtes Werk sei. Der Platz ist nicht
ungünstig. Die Dämmerung, die da herrscht, paßt zu der
Gruppe, die nur in den allgemeinen Massen fertig gewor:
den
ist.