1Zeformation
in
Italien.
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während den Romanen auch der ungewisseste Begriff sich in
eine Gestalt zusau1menzieht. Wir damals wollten uns be:
freien von diesem Göttersaal voll geformter Wesen, die uns
fremd sein mußten, den Romanen aber mußten wir erscheinen
halb wie tempelschänderische Zerstörer. Denn selbst die, welche
Luther tiefer auffas3ten: als es zur Entscheidung kam: die
Meisten vermochten das Unsichtbare nicht zu denken ohne das
Sichtbare daneben. Darin liegt der. Grund, warum man den
Lutheranern immer wieder weltliche Nebengedanken unterlegte,
warum man Luther zum Cardinal machen zu können glaubte,
warum der Protestantismus als bloße Verneinung ohne eigenen
Inhalt aufgefaßt und die Möglichkeit nicht zugegeben wurde,
daß er sich halten könne. Und deshalb bei Michelangelo, ob:
gleich er der Lehre mit seinen Gedanken nahe kam und seine
ganze Natur der Speculation aus diesem Gebiete zuneigte,
keine Spur, daß er von Luther und dessen Wirken Notiz ge:
nommen. Sogar Michelangelo7s gesunde Natur geht daraus
hervor. Denn wo sich in Italien jetzt die religiöse Bewegung
geltend machte, erscheint sie öfter angehaucht von etwas, das
ich weder Sentimentalität noch Ueberspanntheit nennen möchte,
das aber jedenfalls nicht der handfeste, bürgerliche Geist war,
der sie in Deutschland erfüllte nnd ihr Gesundheit und langes
Leben verlieh.
Von drei Seiten her strömten in der Mitte der dreißiger
Jahre die freien Ideen gegen Rom an.
Von Venedig her, wo am freisten zu denken erlaubt war
und wo der nächste Verkehr mit Deutschland herrschte. Hier saß
der aus Florenz vertriebene Bruccioli und überseyte die Bibel.
Hier auch wandte man sich an Luther und erhielt Antwort.