Luther
und
savonarola.
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in Deutschland Alles auf den Kopf gestellt und die allgemeinen
Verhältnisse in kurzer Zeit so gründlich verändert worden waren,
daß eine Wiederherstellung des alten Zustandesi nicht mehr
möglich war, regte sich in Italien weder ein Gefühl der Zu:
stimmung noch der Nachahmung.
In Deutschland erfüllte der Geist Luthers alle Schichten
der Gesellschaft. Auch er wurde Anfangs von denen verkannt,
die sich als Vertreter des Fortschritts an der SpiZe der Be:
wegung hielten. Man wußte nichts von ihm und hegte Miß:
trauen, bald aber drang die herrliche Natur des Mannes durch.
Luther ging der Sache aus ächt deutsrhe Weise zu Leibe. Sag
vonarola wollte die Florentiner einexerciren gleichsam zu einem
besseren Leben, predigte praktische Moral und behielt die
Theologie für sich zurück. Luther machte es umgekehrt. Was
geht uns Deutsche ein römischer Papst an, fragte er. Was
uns die Cardinäle2 Wer hat diesen Leuten überhaupt das
Recht gegeben zu stehen, wo sie stehen2 Was weiß die Bibel
von einem Papste2 Es giebt keine angeborene geistige Abhän:
gigkeit von Rom. Es giebt keine Autorität der Kirche ohne die
Bibel. Sie allein enthält die Religion. Jedem freien Manne
ist es erlaubt in ihr zu suchen was ihm frommt. Was Savo:
narola erst in der höchsten Bedrängniß mehr zu seiner Ver:
theidigung als zur Belehrung des Volkes aussprach, daß die
Ueberzeugung der eigenen Brust höher zu achten sei als der
Papst, damit fing Luther an, und nicht allein für sich selbst,
sondern für alle Menschen beanspruchte er die Freiheit, sich
Gott gegenüber auf das Gewissen allein zu berufen. Rom,
Papst, Cardinäle, Hierarchie, Alles mit einem Gedanken als
falsche Waare bei Seite gekehrt. Frisch anknüpfend an die
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