Berlin
N XV.
Klopstockstraße
52s
Sehr geehrte Frau1
Jhr liebens1vürdiger Brief, worin Sie mir den Empfang
meiner Radirung anzeigten und so unverdientes Lob auf
die immerhin noch recht schwachen Arbeiten verschwendeten,
ist zwar schon längere Zeit in meinem Besitz, es ist mir
aber erst heute möglich, ihn zu beantworten. Akt rein ist
zu bemerken, daß ich ,mich sehr unvorsichtig oder unklar
ausgedrückt haben muß, die Stelle, welche Sie falsch deuten,
muß etwa so lauten: Zu loben ist nur, daß die Dinger
ÜbeTh0upt gemacht sind, respektive, daß jemand sich dazu
entschließen konnte, die Malerradirung in diesem Sinne
aNzupacken und ins Leben zu rufen, unbekümmert darum,
ob der Erfolg die Mühe lohne oder nicht. Es giebt außer
Hubert Herkomer, dem Engländer, niemand, der ähnliche
Arbeiten in.diesem Maßstabe gemacht und in dieser Ten:
denz. Da es also nur diesen Präcedenzfall giebt und auch
dieser Meister die Radirung doch wieder in seiner eigenen
Weise nicht ganz konform mit meinen Absichten behandelt
hat, so galt es für mich den Weg erst zu finden, den noch
keiner gegangen. Wie Sie wissen, geht man leichter sogar
auf dem sihlechtesten Fußweg als direkt durch das Dickicht.
Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, gewinnt meine
gMphische Thiitigkeit allerdings an Jnteresse, und dieses
Jnteresse war es, erinnere ich mich reOt, was ich Jhnen
nicht zumuten konnte, da für den Beschauer nur die absolute
Leistung Werth hat, zumal wenn er der Entwicklung der
gMphischen Kunst fern steht. Das muß etwa der Sinn
dessen gewesen sein, was ich am Schlusse meines Briefes
bemerkt, und worauf Sie anzuspielen belieben in dem Passus
vom laienhaften Verständnis. Jn Betrefs des brünetten