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Schlußfolgerungen
noch verhältnismäßig gering. Durch die Breite der
Pinselführung, die bei den Deutschen leichter als bei
anderen Völkern das Ansehen der Roheit gewinnt,
lassen noch lange nicht alle deutsche Meister jenes
reife Formenverständnis hindurchfühlen, ohne das es
eine echte Kunst nicht giebt. Manche Künstler, die
dieses Formenverständnis offenbar besitzen, suchen es
sogar absichtlich zu verbergen. Wohl mag der moderne
Maler es unter Umständen nur erraten lassen; aber
ohne daß er es mindestens erraten läßt, wird es
ihm nicht gelingen, uns zu überzeugen.
In der gegenwärtigen Kunst einiger anderen Völker
erscheint das ,,ModerneU gleichmäßiger mit dem ,,Natio:
nalen0 verschmolzen, die neue Naturanschauung inniger
vom neuen Zeitgeiste beseelt, vor allen Dingen die
neue Technik reiner und gediegener durchgebildet als
im Durchschnitt der deutschen Kunst. Jedermann
weiß, daß hier vor allen die Franzosen zu nennen
sind, die freilich einerseits zu allen Ausschreitungen,
deren der Jmpressionismus fähig ist, am leichtesten
bereit sind, andererseits jedoch auch schon manche
Meister besiHen, die dem Jüngsten nicht leicht zu
altmodisch und dem Ältesten nicht leicht zu neue:
rungssüchtig erscheinen. Aber im Durchschnitt, immer
von unseren Hauptmeistern abgesehen, sind auch die
Spanier, Engländer, Schotten, Amerikaner, Holländer
und sogar Skandinavier den unseren in der Gleich: