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und
Disputa
Rafael7s
Schule
VOU
Athen.
Wichtigkeit. Von einem Manne, der in der Mitte des sechszehnten
Jahrhunderts schrieb, von der antihumanistischen Strömung be:
reits selbst ergriffen war, kann man eine vollkotnmene Vertraut:
heit mit humanistischen Anschauungen nicht erwarten. Genug,
daß er uns einen deutlichen Fingerzeig gibt, der Gegenstand der
Rafaelischen Bildes müsse aus humanistischen Vorstellungen erklärt
werden.
Wird dieses zugegeben, so ist auch das Schicksal der Hy:
pothese,Rafael habe etwa an der Hand des Diogenes von LacZrte
in der Schule von Athen die historische Entwickelung der griechi:
schen Philosophie von ihren ältesten Anfängen bis zu ihrem
Ausleben schildern wollen, entschieden. Nicht wie sich spätere
Griechen das Schicksal der Philosophie zurecht legte1i, sondern,
was die lexztere der Renaissanceperiode bedeutete, bildet den Ge:
genstand der Darstellung. Im fünfzehnten Jahrhundert war aber
eine chronologische Aufzählung der spekulativen Systeme keines:
wegs voltsthümlich, ein desto grösseres Jnteresse dafür vorhanden
ihr Verhältniss zum religiösen Glauben zu ergründen.
Es treten uns auch in der Schule von Athen einzelne historische
Persönlichkeiten entgegen. Außer dem Selbstbildnis3 gewahren
wir das Portrait Peruginois, des Herzogs von Urbino und angeblich
auch des Bramante. Solche den Zeitgenossen dargebrachte Huldi:
gungen finden sich auch sonst auf RafaelischenWerken, insbeson:
dere auf den meisten vatikanischen Fsresken. Dann erkennen wir
deutlich, sei es an den Attributen, sei es an dem Gesiihtstypus
Platon und Aristoteles, Sokrates, Diogenes mit der Schale und
Ptolomäus. Zoroaster wird von Vasari dem Ptolomäus ange:
reiht. Bei dem Umstande, daß Zoroaster im fünfzehnten Jahr:
hnnderte nicht selten mit Platon und Pythagoras verglichen,
seiner Lehre mit großem Eifer nachgeforscht wird, erscheint seine
Aufnahme in den Personenkreis der Schule von Athen nicht un:
wahrscheinlich. Ebenso ließe es sich rechtfertigen, daß der Orientale
hinter dem sogenannten Phthagoras mit dem Namen Averroi5s
bezeichnet wird. Um die mit dem Glauben nicht versöhnte Rich:
tung der Philosophie zu charakterisiren, konnte Rasael keinen be:
kanntereu Repräsentanten finden als den vielbekämpften Araber,
der im Mittelalter in einen förmlichen Typus der Ungläubigkeit
sich verwandelte. Wenn man aber auch für diese und vielleicht