Volltext: Die deutsche Kunst des neunzehnten Jahrhunderts (Bd. 2)

Die 
sklaffiker. 
und Handlungen schwankenden Bildner selbst entsprechende weich: 
herzige Begriffe von Mannheit und idealen: Heldentn1nl 
Vielleicht kein Meister in Europa erfüllte so sehr die Forde: 
rungen der wissenschaftlich Denkenden, der an Plato und Aristotelei3 
geschulten Köpfe, wie dieser Mann, der all die Kunstwissenschaft nie 
beachtet und noch viel weniger je verstanden hat. Wie in den 
Bildwerken der Alten, so fand man in den seinigen den Geist, nach 
dem man sich in der Kunst sehnte, in Leben übertragen. In ihrer 
Einfachheit bot er den reichsten Stoff für die Erklärung, für geist: 
reiche Jnterpretation. Keiner ist hellenischer als dieser Dä11e, der 
der klassischen Bildung, der Primaner: oder gar Professorenweisheit 
so gänzlich bar war, ja der wie ein Hohn auf die Forderungen 
erscheint, welche die klassische Ästhetik an die ,,gebildetenU Künstler 
stellen zu müssen glaubte. Der helIenisihe Geist in ihm ist nicht 
ein wissenschaftlich erkannter, sondern künstlerisch en1pfundener. Die 
Erlösung Von der Rokokoanmut, welche Thorwaldsen vollendete, nach: 
dem so viele vor ihm sie angeftrebt hatten, ist bei ihm nicht dass 
Ergebnis einer Überzeugung, einer Absicht, sondern eine Form des 
Sehens. Er hatte sich völlig eingearbeitet in Rom, in Zeiten der 
eigenen träumerischen Thatenlosigkeit, die Zoäga für einfache Faul: 
heit hielt, hatte sich cingelebt in die in Rom ihn n1ngebende 
Antike und schuf in seiner Weise aus ihr fort. Wohl steckt in 
seinen gezeichneten Entwiirfen noch viel von der Linienführung des 
18. Jahrhunderts, in seinen fertigen Arbeiten ist diese fast ganz 
überwunden; ebenso das absichtliche Gegenüberstellen starker Gegen: 
sähe, namentlich in der Behandlung von Körper und Gewand, dass 
Hinzielen auf Schattenwirkung, auf bewegten Umriß. Alles rundet 
sich bei ihm, alles glättet sich zu schlichter Linie, zu einfachen, stillen 
Wechselbeziehungen. Ebenso ruhig, ebenso abgeneigt gegen jede Er: 
regung, wie im Gegenstande seiner Kunst, erweist sich ThorwaIdsen 
in der Form. Der Meister, der geistig nicht in seiner Zeit lebte, ihr 
wie seinen1 Volke nur durch Geburt angehörte, nicht durch innere 
Verkettung, konnte sich völlig in eine fremde Zeit versenken. Er ist 
weder persönlich noch national, er redet in allem, was er schafft, 
die Sprache anderer, dient dem Glauben anderer. Wilhelm Schadow 
wirft ihm vor, daß ihm die christliche Offenbarung verschlossen ge:
	        
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