Japanischer Realismus.
Volkskunst.
Tolstoi.
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die Natur, als gegen die stilistische Behandlung dieser eine Sünde
begehen zu dürfen.
War durch Wallots Schule schon die Gleichgültigkeit gegen
den Stil gewachsen, so kam jetzt die Abneigung. Man mied die
Pflanzen, die bisher die Anregung geboten hatten, namentlich den
Akanthus, der nun seit drei Jahrtausenden dem Ornament die eigent:
liche Haltung gab. Man führte dafür heimische Pflanzen ein, schuf
neue Reihungen. Aber all dies würde nicht eine so starke Wandlung
herbeigeführt haben, wenn es nicht die Farbe gewesen wäre, die vor
allem von der alten Form abzog.
Bewußt wollte man damit eine Volkskunst herbeiführen. Der
Hamburger Architekt Schwindrazheim dürfte der erste gewesen
sein, der das in voller Klarheit aussprach. Jth glaube nicht,
daß wir in diesem Bestreben viel weiter gekommen sind. Sehr
viele Entwürfe und Schöpfungen der neuen Kunst zeugen von
großer Begabung und wirken, wenn sie vielleicht auch den Alt:
stilisten sehr häßlich erscheinen, doch auf die Modernen als schön.
Und da die Jungen jung und die Alten alt sind, hat die Neue
Kunst zweifellos die Zukunft für sich. Daß eine solche möglich sei,
daß ein U1nbilden der Formen erreichbar ist und daß sich aus diesem
eine seelische Befriedigung schöpfen lasse, dafür ist meines Ermessens
schon heute der Beweis geliefert. Ob aber damit der Welt geholfen
istP Die Neuesten führen auch heute noch das französische Wort im
Munde: Furt pour Paris. Es ist dies schwerlich mehr, als ein Not:
schrei. Ihm entgegen steht der heftige Vorwurf, daß die Kunst sich
dem Volk entfremde, daß sie von ihm nicht verstanden werde. Die
Gänge und Gedanken der Neuen Kunst scheinen auch mir viel zu fein,
als daß sie dieses Zusammenfassen aller zu einem Volksgeschmack
herbeiführen könnten, nach dem wir so sehnsüchtig rufen hören.
Da ist des Grafen Tolstoi merkwürdiges Buch. Er verzweifelt
am Wert der ganzen Kunst, weil sie nur für die Reichen, Müßigen
da sei; er schlägt endlich vor, die Künstler sollten das werden, was
wir Dilettanten nennen, der Künstlerstand solle beseitigt werden,
damit die Künstelei schwinde. Die furchtbare Gewalt seiner Logik
ruft ein Wehe in unser ganzes Getriebe. Es erscheint ihm kaum
so närrisch als verbsrecherisch, weil es nicht jener Armen gedenkt,