Die heilige Nacht.
Entschiedener Realismus.
Der Künftlerstreit.
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Arno Holz sein, der zunächst in seinem Buch über die Kunst, ihr
Wesen und ihre Gesetze wohl zumeist an die Dichtung dachte, es
aber auch an Seitenblicken auf die Malerei nicht fehlen ließ. Er
wendet sich gegen Zola, diesen überbietend. Kunst ist die Natur,
gesehen durch ein Temperament, hatte Zola gesagt und dabei noch
den entscheidenden Ton auf das Temperament gelegt. Holz meint,
die Kunst habe das Bestreben, wieder Natur zu sein, sie erreiche
dies nach Maßgabe der jeweiligen Bedingungen ihres Entstehens.
Und dabei ist er der Ansicht, daß die Kunst steige, je mehr sie
Natur werde und je weniger die Bedingungen hervortreten. Man
sieht eine neue Feststellung der schöpferischen Absicht in der Form eines
Gesetzes. Der Naturalismus geht hier auf die völlige Unsichtbar:
machnng des Künstlers im Kunstwerk aus. Er will nicht den
Spiegel der Natur abgeben, sondern zur FenstersCheibe werden,
durch die man die Natur sieht. Dieser hier mit besonderer Klar:
heit ausgesprochene Gedanke ist für die Kritik der Zeit maßgebend.
Er überbietet Taines und Zolas Ansichten durch die Entschiedenheit,
mit der der Natur das Vorrecht gewahrt ist.
Die Anschauung, daß die Wahrheit das Grundwesen aller
Schönheit enthalte, tritt auch in den Werken der Künstler selbst
hervor. Es beginnt eine Zeit der Durchsuchung der Welt nach
neuen und doch wahren Eindrücken, eine Zeit der Wagnisse, das
bisher der Kunst am fernsten Liegende wahr darzustellen, das im
Leben als häßlich Empfundene im Bild als ein Schönes wirken zu
lassen durch Wahrheit. Die ältere Kritik und die große Menge
der Beschauer war empört über das, was sich ihr darbot. Die
Künstler selbst bekämpften einander in noch nicht dagewesener
Hestigkeit. In München kam es zu einem Bruch, indem sich einige,
zumeist realistische Künstler von der Kunstgenossenschast trennten
und, bald andere um sich sammelnd, seit 1895 als Secession
selbständig ansstellten. Ähnliches war in Paris, in New:York,
in London vorausgegangen; in Berlin, Dresden, Karlsruhe und
eigentlich überall, zuletzt in Wien vollzog sich die gleiche Scheidung.
Gegenüber standen sich anfangs zumeist die Maler der Pilotyschule
und die Realisten Liebermannscher Richtung. Zwischendurch quirlten
die Sonderbestrebu11gen verschiedenster Art.
ZEIT