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Schule.
historische
Die
treibung, zur Ermattung führten. Denn das ist der große Schaden
der Berliner Kunst, daß sie in ihrer .gewaltigen Arbeitsleistung
überall zur Steigerung und Übertreibung der Baugedanken führt.
Was ist nicht alles seit etwa 1875 in Berlin in deutscher Renais:
sance geschaffen wordenk Die alle Tage sich mehrende Zahl von
Aufmessungeu alter Giebel und Thore, Erker und Türmchen wurde
rasch verarbeitet, von den bescheidenen Häusern und Schlössern
des 16. Jahrhunderts auf die riesigen Geschäfts: nnd Mietskasernen
übertragen, die Profile übertrieben, die Schwingungen und 1uale:
rischen Wirkungen ins Derbste überboten, die Gedanken einer be:
scheiden bürgerlichen Kunst ins aufdringlich Laute übersetzt. Andere
Großstädte folgten dem Beispiel; aber Berlin ist die Stadt, in der
die stilistischen Anregungen der Baugeschichte durch Überfütterung
am schnellsten zu Grunde gerichtet wurden.
Hausen wie Schmidt beugten sich vor dem dritten Wettbewerber
in der Gunst des kunstgeschichtlich geschulten Zeitalters, vor der
italienischen Renaissance.
Diese hatte in verschiedenen Städten ihre erfolgreichen Ver:
treter. In Stuttgart war es Christian Leins, mein ver:
ehrter Lehrer, dem ich mehr verdanke, als meine Studiengenossen,
angesichts meiner Faulheit im Saale für Entwerfen wohl glauben
mögen. Leins war ein vorsichtiger feiner Künstler, der der Renaissance
Jtaliens eines abzulernen nicht vermochte, nämlich die Kraft, die
sich namentlich in der entschiedenen Behandlung des Hauptgesimses
äußert. Ähnliche Schwächen zeigen viele der Ersten, die sich dem
Stile widn1eten, so der Dresdener Hermann Nicolai, im ge:
wissen Sinn auch der Münchener Gottfried Neureuther. Das
Gleichgewicht der alten Florentiner wieder zu finden, war Gott:
fried Semper vorbehalten.
Semper gehörte zu jenen deutschen Architektur, die wie sein
Vorgänger in der Dresdener Professur, Joseph Thürn1er, und
wie Hausen Athen gesehen hatten. Aber seine eigentliche Schule
hatte er in Paris bei Franz Chr. Gan gemacht. Auch dieser
war ein Deutscher, in Köln geboren, doch in jungen Jahren nach
Paris gekommen, berühmt durch seine Reisen nach dem Orient, wo
er bis nach Nubien drang, vermessend, zeichnend, ganz erfüllt von