Schirmen
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ist als Atelierbesuch, sagte mein Vater, ein Bauer lieber als ein
Gelehrter; der Bauer erkennt, ob ich eine Eiche oder Buche, Buch:
weizen oder ein Kornfeld male; der Gelehrte will immer ;was am
Bild erklären, er sucht etwas darin, er guckt nicht auf die Leinwand,
sondern hinter die Leinwand. Dieses Gucken hinter die Leinwand
stak aber tief im Geiste der Zeit. Man nannte die schlichte Natur:
darstellung naive Poesie, sie erschien wie Volksgesang; vom reifen
Künstler forderte man aber bewußte Dichtung, Kunstgesang. Schirmer
lieferte diesen. Feuerbach erzählt von ihm, er sei ein dicker, knorriger
Mann gewesen, der durch sei11e teutonischen Eichenwälder eine Art
von Düsseldorfer Berühmtheit erlangt hatte. Seine Arbeiten zeigten
eine gewisse Derbheit, und man hätte sich ihren Schöpfer wohl
als einen kräftigen Charakter denken können; aber er barg
unter der Hülle seiner Biederkeit eine schwankende, leicht zugäng:
liche Seele. Das sind Vorwürfe, die man im Grunde alle für Lob
nehmen kann. Jedenfalls hat Feuerbach darin recht, daß Schirmer
den Einflüssen der Zeit nachgab. Er schuf historische Landschaften,
die aber weniger, wie jene Prellers, auf Zeichnung, als vielmehr,
obgleich sie als Kartons entworfen waren, auf Farbe berechnet sind.
Jn diesen stellte er sinubildliche Vergleiche zwischen den Tages:
zeiten und Lebensarten an, die er nach Art biblisiher Gleichnisse
fortspann. Vorsichtig baute er seine Bilder aus fleißigen Studien
zusammen, vorsichtig griff er, sich selbst mißtrauend, zu fremden
biblischen Darstellungen, um durch deren Einfleihten in das Bild
diesem Gehalt zu geben, sie zu biblische11 Landschaften zu erheben.
Sieht man die Reihe der gleichzeitigen Kritiken durch, so findet man
auf ihn eine ganze Flut lobender Beiworte ausgeschüttet, die so
gelehrt und schwungvolI sind, daß man sie, wenn man einigermaßen
selbst Augur ist, mit verständnisvollen Lächeln begrüßt. Er hebe
das Plastische in der Natur mit besonderer Kraft hervor, finde
aber nicht die hinreichend warme Farbe; er bilde jede Einzelheit
sorgfältig nach der Natur, jedoch er biete wohl der Phantasie, nicht
aber dem Herzen Speise; er bringe wohl eine gemiitvolle Dur:
stellung des wahren Seelenasfekts der Natur zuwege, idealen Duft
dichterischer Empfindung, aber er entbehre jener liebenswürdigen
Hingabe an den Gegenstand, der naiven Poesie des unbewußt
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