Volltext: Die deutsche Kunst des neunzehnten Jahrhunderts (Bd. 2)

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Romantiker. 
Die 
herantreten solle, die Spur von Gottes Finger in der Kunst er: 
kennend. Das Schaffen des Künstlers geschehe nicht in klügelnder 
Erfüllung von Regeln, sondern in einem angenehmen Traum, in 
dem er an den Gegenstand mehr denkt, als daran, wie er ihn vor: 
stellen möchte. Die Art zu malen habe ihm die Natur eingepflanzt, 
sie sei nicht durch sauren Schweiß errungen; ihm schweben die Ge: 
stalten vor der Seele und er schreibe sie für sich zu seiner Er: 
gö1z,ung nieder. Das Werk müsse der Künstler in sich antreffen, 
nicht erst mühsam draußen suchen. Wackenroder dringt darauf, 
daß der Künstler seine Seele, nicht sein Wissen bereichere, inneren 
Reichtum zu erringen suche. Lionardo da Vinci, thatsächlich eine 
höchst unpassende Wahl für den Vorkämpfer weicher Empfindungs: 
seligkeiten, wird wegen der Vielseitigkeit seines Schaffens, wegen des 
daraus sich ergebenden Beherrschens des rein Technischen der Kunst 
gepriesen. Denn dem wahrhaft Tiefen fällt das Können von selbst 
zu. Lessing suchte nach Grenzen der Kunst; in Goethe wirkt 
dies weiter, indem er erklärt: Die Vermischung der verschiedenen 
Arten der Kunst sei das beste Kennzeichen des Verfalles, Pflicht 
des echten Künstlers sei, sein Kunstfach von andern abzusondern, 
jede Kunstart aufs möglichste zu isolieren, um sie somit be: 
herrschen zu können. Die junge Romantik meinte aber, das Be: 
herrschen des Kunstfaches käme von selbst, wenn die Kunstbegeisterung 
in die Seelen eingezogen sei; der Künstler solle alle Kunst im 
Busen tragen, um aus der Kraft der Beseligung ein Bollwerk zeugen 
zu können. 
Wenn eines fruchtbar war an den Herzensergießungen, so die 
Erkenntnis, daß es nicht nur eine Schönheit gebe. Ahndet euch 
in fremde Seelen hinein, ruft Wackenroder den blöden Kritikern zu, 
und merket, daß ihr mit euern verkannten Brüdern die Geistes: 
gaben aus einer Hand empfangen habt; daß jedes Wesen nur aus 
sich herausschaffen, daß man sich in Fremdes nicht hineinfühlen 
kann. Da hilft nicht das System, das aus einseitigem Empfinden 
für das Schöne hervorgeht, es läßt sich doch nicht auf andere 
übertragen. Systemglaube ist schlimmer als Aberglaube. Man 
müsse die Bedeutung, die Gedanken, die Seele der Bildwerke prüfen, 
nicht die Form; wie ein Weiser die Rede nach dem Wert des In:
	        
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