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Die Landfrhaft.
die Dnmpfheit und Empfindungswerte entgegenzustellen. So packen
denn Tieck die an sich doch so leere Gestalten und Blumenranken
Runges mit uns kaum mehr verständlicher Macht; er sah sie freilich
nicht bloß im Umriß, sondern in Farben. Hier ist eine Sym:
bolik, zu deren Erklärung das Nachschlagen im Winckelmann nichts
hilft, sowenig wie jenes in den alten Heiligenlexiken; sie soll viel
mehr als ein Empfundenes nachempfunden werden; nicht Klarheit wird
erstrebt, sondern das Nachfchwingen der Seele über einem nicht
völlig Ergründeten. Tieck empfand, daß hier sich eine künstlerische
Richtung aufthue, die seine Bestrebungen mächtig fördern könne.
Noch viel lebhafter sprach sich 1808 Görres aus, der damals
mit seiner stürmischen Feder dem Deutschtum seine Huldigungen
brachte, gründlich geheilt von seiner abstrakt:revolutionären Be:
geisterung. Der moderne Beschauer, der Görres7 Aufsatz, angesichts
von Runges Blättern liest, vermag dem Gedankengange des be:
geisterten Romantikers kaum zu folgen. Denn es ist erstaun:
lich, welche Fülle der Gesichte die Zeichnungen in Görres an:
regten, wie er in ihnen die Kräfte der Natur spielen und die
Wunder der Religion dargestellt sah. Freilich, sagt er, die Zeit
habe sich nach und nach so verschmäht und verschroben, daß sie
alle Unbefangenheit nnd den frischen Natursinn eingebüßt habe.
Die kahle Liebelei mit Kunst und Schönheit habe ihr den Sinn
für wahrhaft Lebendiges genommen. Sie habe kein Empfinden
für das Musikalische in der Kunst, für den dunklen Ton. Er da:
gegen sieht in diesen Blättern den Anfang, den Weg, auf dem
allein der bildenden Kunst noch ein Fortschritt möglich sei; der
ihr einen wahrhaft eigenen Bildungskreis öffne.
So schallt es mehrfach in jener Zeit von den Besten wider.
Soll man diese Urteile für Thorheit, für Heuchelei haltenP Wenn
wir sehen, wie viele Federn sich für die Blätter in Bewegung setzten,
und daß selbst die Gegner der Romantik, daß auch Goethe von ihnen
immer wieder angezogen wurde, so zwingt dies den Kunfthistoriker,
sie mit dem Auge nicht des eigenen Gefallens, sondern womöglich
mit dem Blick jener Zeit zu betrachten. Denn gleichviel, ob sie
heute behagen oder nicht, ob sie wirklich so leer, so wenig
fein beobachtet, ja so herkömmlich sind, wie sie jetzt erscheinen,