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1ll.
alten
Die
Schulen.
Schadow modellierte ein nackendes Mädchen, aus Träumen er:
wachend, den Körper dehnend, hingestreckt auf eine Matratg,e, Arm
nnd Kopf auf ein weiches Kissen lehnend. Seine Absicht war also
nicht, wie er selbst sagt, eine Venus oder Göttin zu bilden, sondern
das Bild einer wollustatmenden, wohlgebildeten Sterblichen zu gebenI
Nicht der Kunstwert des jeHt in Paris befindlichen Werkes ist hier
entscheidend, sondern die echt künstlerische Absicht. Ebenso bei der
liebenswürdigen Marmorgruppe der Prinzessin Luise und ihrer
Schwester. Er mißt, um in dieser seinem Vorwürfe ganz gerecht zu
werden, sorgfältig nach der Natur, er leiht sich die Kleider der jungen
Fürstinnen aus, er versenkt sich liebend in die Einzelheiten; nicht
um ideale Gestalten zu schaffen, sondern mit der herzlichen Bewunde:
rung des guten Preußen für die schöne Herrin der Zukunft, für
die edlen, zur vollen Reife noch erknospenden Frauengestalten. Da
ist volles Leben, voller Künstlergeist, volle Kraft sinnlichen U1nfangens
bei aller Ehrfurcht. Ein Zug der bewundernden Liebe, der opfer:
lustigen Anbetung wurde in die liebliche Gruppe mit eingeflochten.
Endlich sollte es Schadow vergönnt sein, eines Mannes Bild:
säule zu schaffen, den er selbst von Angesicht zu Angesicht gesehen,
dessen Thaten er dankbar miterlebt hatte, Blüchers. Das Schicksal
wollte es, daß man Goethes Rat einholte. Es ist das einzige
Werk dieser Art geworden, in welchem die Zeitkleidung nicht rein
beibehalten wurde. Ein Löwenfell mußte die Brust zieren, der
Hals frei bleiben, die Falten bewegt und wie aus nassem Stoff
gebildet erscheinen. So wollte es die siegreiche Wissenschaft des
Schönen. Man sehe Zietens Lederhosen neben jenen aus idealeui
Stoff an Blücher. Es ist ein Stück Zeitgeschichte in diesen
Nebendingen, ein Stück Lebensgeschichte des Berliner Meisters, der
nun mit Goethe höflichen Händedruck und förmliche Briefe wechselte,
nachdem sie sich ein langes Leben hindurch nicht verstanden hatten.
Schadow wußte sehr gut, daß er unter allen Berliner Künstlern,
neben Tassaert, von dem er sein Handwerk erlernt hatte, Chodowiecki
am meisten schuldete, nämlich die Absicht auf Redlichkeit, das Streben
nach eigener Naturerkenntnis. Es war dem Manne, der mit
Miniaturen und Schmelzmalereien sein Lebenswerk begonnen hatte
und der nun auf dem Wege wissenschaftlicher Belehrung die Wahr: