sind aus der sehr weltlich angehauchien
Kunst des Dominikaners von Verrocchio
übernommen worden: die fast gekünstelte
Anordnung des Schleiertuches mit der
hornartigen Verzierung, die Vorliebe für
Schmuck und Edelsteine. Ihn deswegen
zu einem Schüler des Fra Filippo zu
machen, geht nicht an, weil seine malerische
Ausdrucksweise, seine Technik völlig von
der des alten Lippi verschieden ist. Soll
ein Lehrmeister in der Malerei für
Verrocchio namhaft gemacht werden, so
wüßte ich keinen besseren als Alesso Bal:
dovinetti vorzufchlagen, den gewiegten Ex:
perimentator, bei dem auch die Pollajuoli
in die Schule gegangen sind. Damit
würde sich denn der Starrsinn erklären,
mit dem eine gewisse Gruppe von Kunst:
historikern vor allen Gemälden unseres
Meisters und seiner Schule sich noch immer
auf den Namen Pollajuolo steift. Damit
wäre auch das gerade in der Werkstatt
Verrocchios beliebte Motiv der thronenden
Madonna mit Heiligen vor baumüberragten
Schranken Cvgl. die Abb. 2, 75J auf seinen
wahren Ursprung zurückgesührt.
Eine ganze Gruppe von Madonnen:
bildern rückt in die unmittelbare Nähe
dieses Originalwerkes. Am genauesten
nimmt das Motiv eine Madonna auf, die
Herr von Mumm in Frankfurt a. M. be:
sitzt CAbb. 64J. Drei andere Tafelbilder
in Berlin CAbb. 65J, in London bei Mr.
Butler und im Städelschen Institut zu
Frankfurt a. M. lehnen sich in der Kom:
position eher an die Marmormadonna des
Bargello an. Die abgesonderte Stellung,
die wir IS. 54J dem Madonnenrelief des
Mr. Shaw zuwiesen, nimmt unter den
tnalerischen Arbeiten die Madonna mit den
Engeln in London ein CNational Gallery
Nr. 296, Abb. 66J. Alle diese Gemälde
zeichnen sich durch gewissenhafte, fast
pedantische Sauberkeit der Technik aus;
ihre Schwäche besteht im Seelischen. Sie
haben etwas Starres im Ausdruck, wie
auch ihre Falten und ihr Kontur an
metallische Härte streifen. Man pflegt
diese Madonnenbilder neuerdings dem
Francesco Botticini zuzuteilen, einem sorg:
fältig ausführenden, aber wenig eigen:
artigen Meister, der, ohne unmittelbar
Gehilfe des Verrocchio zu sein, ganz unter
dem Eindruck der Arbeiten Verrocchios steht.
Botticini gehört nun auch das schöne
Aliarbild in der Akademie zu Florenz an,
auf dem die Erzengel den kleinen Tobias
mit dem sonderbaren Augenbalsam zum
kranken Vater heimgeleiten LAbb. 67J. Das
Bild für die Kapelle des Gino Capponi
in St. Spirito zu Florenz gemalt, trägt
schon seit dem sechzehnten Jahrhundert den
geläusigeren Namen Botiicelli; man begreift,
wie leicht die Verwechslung stattfinden
konnte. Weniger begreiflich ist, wie sich
diese freie, großartig feierliche Komposition
bei einem Meister vorfindet, der nirgends
sonst über die Tradition und über eine
ängstliche Symmetrie hinausgekommen ist.
Wir werden dies nur dahin erklären
können, indem wir an Verrocchios geistigem
Anteil festhalten und nur die malerische
Ausführung Botticini zukommen lassen.
,,Die Wanderung des jungen Tobias
mit einem Engel oder auch mit dreien ist
vorherrschend, wenn auch nicht ausfchließ:
lich für das Haus gemalt worden als
Empfehlung eines bestimmten Jünglings in
den himmlischen SchuhU CBurckhardtJ. Viel:
leicht darf man auf unserem Bilde an den
kleinen Alessandro Eapponi denken, den
leHtgeborenen der zehn Kinder des Gino
und der Maddalena, der schon in jungen
Jahren nach Lyon ging, um dort die kauf:
männischen Interessen der Familie zu ver:
treten. Da stellten sie denn daheim in
der Familienkapelle sein Bild auf, wie
er unter dem Geleit der Erzengel auf den
rauhen Pfaden der Fremde des Weges
schreitet.
Der Vorwurf bot alles, was das Herz
eines Malers aus der zweiten Hälfte des
Quattrocento erfreuen konnte. Lauter junge,
anmutige Gestalten. Die Bewegung leicht
und lebhaft, die. seelische Verknüpfung zart
und innig, die Gewänder maunigfaltig und
reich, die Landschaft lockend. Nicht ganz
ist dieser Reichtum von der Kunst des
Malers erfchöpstnworden. Geschickt wechselt
die paarweife Ahnlichkeit der männlichen
Typen im Michael und im Tobias und
der weiblichen bei Raphael und Gabriel
ab; aber die Anmut ihrer Gesichter hat
etwas Befangenes, Unfreies. Die Hände,
in denen so viel eingehendes Studium ver:
rocchioscher Formengebung sich offenbart,
wiederholen sich mehrfach in ihren Stel:
lungen; ein Pentiment an den Händen