Repräsentant seines Standes vor allem dar:
gestellt werden. Auch dies wieder ein Zug,
der Verrocchio zu einem unmittelbaren Vor:
läufer der klassischen Kunst macht; die ge:
wichtige Erscheinung galt der Hochrenaifsance
unbedenklich mehr als die individuelle Treue.
Wie Michelangelo in den Feldherren der
Medicigräber, hat auch Verrocchio den
Charakter, nicht die flüchtige Erscheinung
der Persönlichkeit festgehalten.
Köpfe, in denen das bis zur Wildheit
gesteigerte Herrische sich aussprach, hatte
Verrocchio schon im Silberrelief der Ent:
hauptung des Täufers geschaffen. Er
brauchte nur auf Typen, wie die beiden
streitenden Feldhauptleute dort zurückzu:
greifen, um die Grundform des neuen Cha:
rakterkopfes zu erfassen. Aber einen Zug
mußte er jetzt zur Dominante erheben, der
den rohen Hauptleuten des Herodes nicht
eignete: die Überlegenheit einer hohen Jn:
telligenz. Sie bändigt die rücksichtslose
Entschlossenheit in diesem Feldherrnantlit;,,
sie glänzt aus den drohenden Augen, sie
hat den befehlenden Mund mit einem Zug
von Weltverachtung umschürzt CAbb. 56J.
Verrocchio hat das Alter gewählt, in dem
die Thatkraft noch ungebrochen Stand
hält gegenüber den ersten Anzeichen, ab:
nehmender körperlicher Frische, jenen Uber:
gang, der das Heldenhaste als die Aus:
strahlung eines unbeugsamen Willens er:
scheinen läßt. Das Fleisch verliert schon
seine Festigkeit, hängt herab, die Falten
vertiefen sich, aber das innere Feuer lodert
in alter Glut.
Gegenüber der sorgfältig aus die Ein:
zelheiten Bedacht nehmenden Modellierung
des Pferdekörpers erkennt man in diesem
nur in den großen entscheidenden Formen
angelegten Kopf kaum die gleiche Meister:
hand. Es sind denn auch Stimmen laut
geworden, die den ganzen Reiter für Leo:
pardi beansprucht haben, andere, die an
eine Mitarbeiterschaft des seit 1481
nirgends recht nachweisbaren Leonardo
dachten. Wer Leopardis zierliche, aus:
schließlich dekorative Art kennt, wird die
erste der beiden Zumutungen ebenso ent:
schieden abweisen, wie die zweite hinfällig
wird durch den neuerdings festgelegten
Thatbestand, daß Leonardo seit 1481 am
Reiterdenkmal des Ssorza in Mailand
thätig ist. Und schließlich, für das Roß
galt es Aufzeigung genauer Kenntnisse
und Belebung großer Flächen; der Reiter:
kopf mußte schon wegen der Wirkung aus
der Höhe in großen allgemeinen Formen
gehalten werden.
Acht Jahre erst nach des Meisters
Tode, am 21. März 1496 konnte das
Denkmal enthüllt werden. Seit jener
Zeit haben die Parteien fast ununterbrochen
gewühlt, das Werk des Ausländers dem
Verdienst eines Einheimischen zuzuschreiben.
Das Werk selbst hat alles verleumderische
Gerede zu schanden gemacht. Dem Floren:
tiner, niemand wagt es mehr zu bezweifeln,
verdankt die Welt ihr großartigstes Reiter:
denktnal. Derselbe Verrocchio, der in dem
Werke seiner Jugend, im David, den
Morgenglanz jungen, kaum sich selbst be:
wußten Heldentumes darstellte, hat in
seinem legten den Helden in seiner Voll:
endung verkörpert. Seine Leistung hat
niemand übertroffen, aber auch kaum
einer hat seine noch unerfahrene Kunst
an ihr geschult. Leonardos Francesco
Sforza ging im Modell zu Grunde, und
so bleibt Albrecht Dürer der Einzige, der
mit feinem ,,Ritter Tod und Teufels
Zeugnis bringt, mit welch staunender Be:
wunderung einer der Größten emporgeblickt
hat zur ,,statua, genti1issima del grau com:
mendat0reH.
XIV.
Die Gestalt des Malers Verrocchio
läßt sich nicht mit der gleichen Schärfe
herausarbeiten wie die des Bildhauers.
Das Material ist ein unvergleichlich be:
schränkteres, und was mühsam aus der
Zerstreutheit wieder zusammengebracht
worden ist, gibt noch Veranlassung zu
manchem Zweifel. Zwar ist man sich im
großen und ganzen einig über das, was
unter den künstlerischen Begriff Verrocchio
fällt, was aber als des Meisters Eigenstes
anzusehen sei, blieb noch unentschieden.
Man schwankt auch hinsichtlich der Wert:
schäHung dieser Malereien. Dem kindlich:
anmaßenden Urteil eines französischen Ge:
lehrten: Verrocchio hätte klüger gethan,
überhaupt die Finger von nPinfel und
Palette zu lassen, steht die Uberfchähung
alles, das Verrocchios Namen trägt, schroff
gegenüber.