Weimar, lohne Datums, 1859.
Die Leucothea beschäftigt mich jetzt vor allem und
diesen Morgen habe ich wieder begonnen, eine neue Skizze zu
machen. Rietschel hat die kleinen Zeichnungen gesehen und fand
diese besonders interessant. Zuerst werde ich wohl an diese Arbeit
gehen, wenn ich einige Bilder angelegt habe. Bis dahin wird sie
immer reifer und vollendeter vor mir schweben. Im Studium
bin ich übrigens den ganzen Tag und jeden Tag mehr zur Arbeit
gestimmt. Die Venus von Melos erscheint mir wieder neu, sie
strahlt wahrhaft in göttlicher Schönheit nnd ist mir verständlicher
als je vorher. Ich meine, diese himmlischen Formen im Leben
gesehen zu haben. Welch7 ungeheure Menschen waren doch die
Griechen, diese Wahrheit und zugleich diese reine Jdealitätl Nach:
dem ich die ElginsEJ wieder gesehen, fühle ich lebendig, wie hoch
ihnen die Kunst gestanden. Denken Sie, daß diese göttlichen
Arbeiten, die für das Giebelfeld gearbeitet wurden, also nur an
der Vorderseite sichtbar waren, doch an der Kehrseite, die gegen
die Wand stand, so ausgeführt und vollendet sind, wie von vorn.
Jahrtausende sah sie kein menschliches Auge und uns ist es vors
behalten, diese Theile ganz erhalten zu bewundern. Die Pietiit
für den Gegenstand war so groß, daß sie nichts unvollendet ließen,
auch wenn es kein menschliches Auge je erblickte. Das Kunst:
werk existirte um seiner selbst willen, wie die Blume auf dem
Felde, die auch ungesehen zur höchsten Entfaltung kommt. Jst es
nicht mit unendlich vielen göttlichen Schöpfungen soP Sie bedürfen
der Bewunderung nicht, sie stehen zu Gottes Ehre da, ob sie
gesehen werden oder nicht.
Weimar, den 8. Sept. 1859. im St.
. Unsere Reise ist den 25. dieses Monats festgesetzt.
n über Basel, Luzern, Gotthard, Como, Mailand nach
dort zur See und in 32 Stunden nach Civita Vecchio.
. . U
Wir gehen ük
Genua, dort